Blacklist - Blacklist - Blacklist
ans Telefon kommen. Es gab keinen besseren Zeitpunkt für einen weiteren Anruf. Wenn ich geschäftlich mit den Bayards zu tun hatte, sollte ich Mrs. Bayard im Verlag anrufen. Den Abschiedsgruß unterstrich sie, indem sie auflegte.
Was war da los? Wenn er krank war, warum wurde das nicht einfach gesagt? Irgendwie inspirierte mich New Solway dazu, mir morbide Geschichten auszuspinnen: Calvin war längst tot, und Renee hatte eine große Verschwörung angezettelt, damit die Welt glaubte, er sei noch am Leben, und sie weiterhin das Unternehmen leiten konnte. Calvins einbalsamierte Leiche lag indessen in einem riesigen Gefrierschrank im alten Eiskeller des Anwesens. Marc hatte sie dort entdeckt, worauf Renee ihn ermordete.
Geschichten ausdenken macht mehr Spaß als Nachforschungen anstellen, aber die Arbeit kriegt man nur durch Letzteres erledigt. Ich studierte bei Nexis Zeitungsartikel, um herauszufinden, wann Calvin sich zuletzt in der Öffentlichkeit gezeigt hatte. Vor fünf Jahren hatte er die Leitung von Bayard Publishing offiziell abgegeben, und Renee hatte die Geschäftsführung übernommen. Der
Herald-Star
und die
New York Times
hatten ausführlich darüber berichtet. In Wirtschaftskreisen ging das Gerücht um, dass sie das Unternehmen im Grunde schon seit vier Jahren leitete.
Mehr gab das Web nicht über ihn her. Seit Calvin in den Ruhestand gegangen war, hatte man ihn offenbar bei keinem Wohltätigkeitsball oder anderen öffentlichen Anlässen gesehen; zumindest wurde in der Presse nicht darüber berichtet. Mehr erfahren würde ich nur, indem ich in gutem alten Stil Freunde und Nachbarn befragte. Dafür allerdings wurde ich von Darraugh nicht bezahlt. Obwohl er eigentlich die Hintergründe kennen müsste - ich nahm mir vor, ihn beim nächsten Gespräch zu fragen.
Als ich mich an Olin Taverner machte, war ich erfolgreicher. Ich entschied mich für den National Radio Report, was den Vorteil hatte, dass ich mir alles mit geschlossenen Augen anhören konnte. Ich wählte einen Audioplayer und lehnte mich zurück, um dem Bericht zu lauschen.
Gestorben war Taverner in Anodyne Park - doch aufgewachsen war er in New Solway. Calvin Bayard und er waren also nicht nur alte Feinde, sondern sie mussten auch alte Spielkameraden gewesen sein; sie waren ungefähr gleich alt. Vermutlich waren sie auf ihren Ponys zusammen durch New Solway geritten oder hatten die Dienstboten geknechtet oder was die Kinder reicher Leute sonst so zum Zeitvertreib anstellen.
Vielleicht hatte Marcus Whitby Taverner aufsuchen wollen, als ihn der Tod ereilte. Ich war gerade dabei aufzustehen, um mir meine Detailkarte zu holen, weil ich nachsehen wollte, ob ein Mann, der zu Fuß in Richtung Anodyne Park unterwegs war, im Teich von Larchmont landen konnte, als erneut der Name Bayard fiel.
Vor einigen Jahren versuchten Printmedien wie Washington Times und Wall Street Journal die öffentliche Wahrnehmung von Taverner, Bushnell und anderen Köpfen der McCarthy-Ära zu verändern. Die neue Rechte behauptet heute gerne, dass die Linken dem Leumund aufrechter Patrioten geschadet haben, und möchte diesen Teil der Geschichte neu aufrollen. Als besonders bizarr fallen in die-sem Zusammenhang die Rehabilitierungsbemühungen von Edwards Bayard auf, dem Sohn von Renee und Calvin Bayard, der vom HUAC verhört wurde. Vor einigen Jahren schloss sich Edwards Bayard jenen Liberalen an, die sich für die Seite der Konservativen entschieden hatten. Er ist für die Spadona Foundation tätig, die rechtskonservative Organisation, die immer wieder für politische Kontroversen sorgt. Unsere Reporterin Jolynn Parker sprach mit Mr. Bayard in seinem Büro in Washington.
Jolynns kehlige Stimme legte die Stationen von Bayards Laufbahn dar: Doktor der Wirtschaftswissenschaft an der University of Chicago, ein Abstecher zum Internationalen Währungsfonds, wo er am Verkauf der bolivianischen Wasserversorgung an amerikanische und französische Firmen mitwirkte, und nun saß er in der Spadona Foundation dem Bereich für Wirtschaftspolitik vor.
»Ihr Vater gilt als lebende Legende der amerikanischen Liberalen. Wie war ihm zumute, als Sie sich Spadona anschlossen, der Organisation, die seiner politischen Überzeugung in vielerlei Hinsicht widerspricht?«
»Weihnachten hatten wir häufig interessante Tischgespräche«, antwortete Bayard, »aber meine Eltern sind ebenso wie ich Anhänger des Rechts auf freie Meinungsäußerung, und wir glauben alle drei, dass in Amerika genug Raum
Weitere Kostenlose Bücher