Blacklist - Blacklist - Blacklist
zufolge hat seit mehreren Monaten niemand mehr dort übernachtet.«
Ich kutschierte die Ninety-fifth Street entlang, Richtung Westen zur mautpflichtigen Autobahn, und zwar auf die denkbar übelste Art: das Lenkrad zwischen die Knie geklemmt, in einer Hand das Handy, in der anderen einen Himbeershake, den ich statt Mittagessen zu mir nahm. Als ich bremsen musste, weil ein Sattelschlepper abrupt die Spur wechselte, ließ ich den Shake fallen.
Ich fluchte, fuhr an den Rand und tupfte die rosa Flüssigkeit von meiner grün gestreiften Hose. Als ich damit fertig war, war Amy nicht mehr dran. Ich stellte die Verbindung wieder her und fragte Amy, wie viele Leute sie noch befragen konnte. Weder den Nachbar auf der Nordseite noch die Kinder hatte sie bislang angetroffen - die Schule war erst in einer Stunde aus.
»Wenn Sie noch Zeit haben, bleiben Sie dort, bis Sie mit einigen Kindern reden konnten. Was ist mit der Autopsie? Haben die Whitbys eine endgültige Entscheidung getroffen? Ja? Dann werde ich mich nach einem Bestattungsunternehmer umsehen, der Marcs Leiche im DuPage County abholt und sie zu Bryant Vishnikov bringt.« Über solche Kontakte verfügte Mary Louise Neely aus ihrer Zeit als Polizistin; ich würde sie mal rasch in ihrem neuen Edelbüro anrufen.
»Und noch was«, sagte ich zu Amy, »meinen Sie, Harriet könnte zu T-Square fahren? Ich bin mir nicht sicher, ob Simon Hendricks - Marcs Chef - nicht doch mehr über Marcs laufendes Projekt weiß, als er mir sagen wollte. Vielleicht wäre er Harriet und Ihnen gegenüber gesprächsbereiter.«
»Und was soll ich da sagen?«, fragte Amy.
»Marcs Assistentin, Aretha Cummings, glaubt, dass Hendricks Marc für sehr fähig hielt und fürchtete, er könne ihn verdrängen. Sprechen Sie als Erstes mit Aretha, vielleicht finden Sie etwas, womit sie bei ihm einhaken können. Meist fangen die Leute aus zweierlei Gründen an zu reden: Wenn sie einen Groll hegen oder Mitleid haben. Sehen Sie zu, dass Hendricks Harriet und die Eltern Whitby bedauert. Betonen Sie, dass die Angehörigen Marcs Tod verarbeiten müssen. Wenn das nicht hin haut, schauen Sie, ob Sie von Aretha etwas erfahren, das ihn provoziert und zum Reden bringt. Augustus Llewellyn, dem T-Square und andere Zeitschriften gehören, hat die Regel auf gestellt, dass niemand aus seinem Unternehmen mit den Leuten von Bayard reden darf. Ich möchte gern wissen, ob das die ge wöhnliche Firmenpolitik im Umgang mit Konkurrenzunternehmen ist oder ob das speziell mit der Beziehung zwischen Llewellyn und Bayard zu tun hat. Der Typ, der den Arbeitsplatz neben Marc hat, Jason Tompkin, macht einen redseligen Eindruck.«
»Ich kann's versuchen«, sagte sie zweifelnd, »aber Winkelzüge in Bürointrigen gehören nicht zu meinem Spezialgebiet.«
Ich wollte ihr gerade eine schwungvolle Motivierungsrede halten, als ihre Bemerkung eine Erinnerung an mein Gespräch mit Renee Bayard auslöste. »Ich bin sicher, Sie schaffen das - aber da ist noch eine Sache, auf die Sie im Netz oder bei der Finanzaufsichtsbehörde oder auch bei Aretha Cummings stoßen könnten: Calvin Bayard hat Llewellyn bei der Gründung des Verlags geholfen, die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Da liegt irgendwo eine Geschichte verborgen, die Renee Bayard zu der Ansicht führte, dass Llewellyn sie auch auf ihre Bitte hin nicht anrufen würde. Versuchen Sie mal, da weiterzukommen. Wenn es mir gelingt, zu Calvin Bayard vorzustoßen, werde ich ihn auch danach fragen. Wir sprechen uns heute Abend wieder, ja?«
Als ich den Shake ausgetrunken hatte, rief ich Mary Louise an. Wir redeten kurz über ihre neue Arbeit, die sie anstrengender und weniger spannend fand als erhofft. Wie ich vermutet hatte, kannte sie einen Bestattungsunternehmer, der vernünftige Preise hatte und sich mit den Interna der Leichenhallen auskannte. Ich meldete mich bei Deputy Protheroe und sagte ihr, die Unterlagen über Marcus Whitby könnten allmählich wieder auftauchen. Dann rief ich den Bestatter an, der die Verlegung für den nächsten Vormittag arrangierte. Schließlich sprach ich auf Vishnikovs Voicemail und informierte ihn, dass Marc Whitbys Leiche bei ihm eintreffen würde. Dann erst fuhr ich weiter.
Ich hatte beide Hände am Steuer und fühlte mich wie der perfekte Verkehrsteilnehmer, der all den Gestalten mit Büchern auf dem Lenkrad, Handys am Ohr oder Hamburgern im Mund haushoch überlegen war. Als Belohnung dafür kam ich von der Kedzie bis zur Mautstrecke prima durch und
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