Blacklist - Blacklist - Blacklist
Gesellschaftsmodellen, die schon viel länger existieren als ihr eigenes. Gesellschaftsformen afrikanischer Kultur, die in jedem Schritt und Ritual verschlüsselt sind. In ihren Augen leben wir Afrikaner schamlos in unserem Körper, und unsere Tänze sind nur Ausdruck unserer Geistlosigkeit, womit das
Denken den Hochkulturen vorbehalten bleibt, die Atom
bomben und Gaskammern erfinden.
In einem vergilbten Artikel aus dem Daily Defender von 1977 fand ich einige biografische Daten. Kylie Ballantine kam 1911 in Lawrence in Kansas zur Welt, aber ihre Familie zog nach Chicago, als sie sechs war. Sie hatte an der Howard University Anthropologie und Tanz studiert. Dann war sie an die Columbia University gegangen, als Franz Boas dort schwarze Studenten willkommen hieß, und machte ihren Magister in Anthropologie. Als sie nach Chicago zurückkehrte, lehrte sie Tanz, choreografierte, und bildete sich auch selbst im Tanz weiter. Im Defender war ein Foto von ihr, auf dem sie in einem Leotard und einem Rock mit afrikanischem Muster hoheitsvoll vor einer Wand voller Masken stand.
Der Reporter hatte sich mehr für ihre tänzerische Laufbahn als für ihre akademische Ausbildung interessiert. Er ließ sich begeistert über ihre Energie aus - mit sechsundsechzig tanzte sie noch täglich vier Stunden und brachte Kindern in ihrem Haus in Bronzeville das Tanzen bei. Er hatte sie nicht danach gefragt, wie sie von 1937 bis 1977 gelebt hatte, sondern sich nur nach ihren Afrika-Reisen erkundigt - über zwei wusste ich schon Bescheid, hier erfuhr ich nun, dass sie nach der Unabhängigkeit von Gabun drei Jahre dort verbrachte. Der Reporter fragte sie, ob sie Bitterkeit empfände wegen der Behandlung, die ihr in den späten Fünfzigern widerfahren war, und sie antwortete, Bitterkeit sei nur Energievergeudung.
Ich überflog die restlichen Unterlagen in der Hoffnung, irgendwo noch auf ein Tagebuch oder etwas Persönliches zu stoßen, fand aber nichts dergleichen. Da war ein Brief vom Rektor der University of Chicago vom Oktober 1957, in dem er ihr in unpersönlichem Ton mitteilte, dass man sie zum Wintersemester nicht mehr benötige, aber keine Reaktion von ihr auf diese Nachricht. Und ihr Vertrag mit Bayard, ein einziges Blatt, auf dem ihr siebenhundert Dollar garantiert wurden. Nicht gerade das Honorar einer kommerziell erfolgreichen Autorin.
Calvin Bayards schwungvolle massive Unterschrift hob sich von dem vergilbten Papier ab, und ich sah ihn plötzlich vor mir. Eigenartig, dass ein kommerzieller Verlag ein so akademisches Buch veröffentlichte. Waren er und Kylie Ballantine befreundet gewesen oder gar ein Liebespaar? Bayard hatte ihr Buch verlegt, sie hatten in derselben Stadt gelebt - wenn man die Gold Coast und Bronzeville als dieselbe Stadt sehen wollte. Wenn Bayard Kylie Ballantine persönlich gekannt hatte, hätte Marc einen Grund gehabt, letzten Sonntag nach New Solway zu fahren - um Calvin Bayard nach seinen Erinnerungen an sie zu fragen.
Ich legte alle Dokumente ordentlich aufeinander, um sie dem Archivar zurückzugeben. Gideon Reed redete gerade ernsthaft auf einen Jugendlichen ein und zeigte ihm etwas in einem dicken Nachschlagewerk.
Als ich ihm das Ballantine-Material wieder aushändigte, lächelte Reed mich freundlich an. »Haben Sie etwas Nützliches gefunden?«
»Nichts, was direkt darauf verwiesen hätte, warum Marcus Whitby sich in New Solway aufhielt. Es ist etwas weit hergeholt, aber Der größte Sprung wurde damals von Calvin Bayard verlegt. Er lebt dort draußen, ich werde ihn mal besuchen, um zu erfahren, ob Mr. Whitby mit ihm über Kylie Ballantine gesprochen hat. Hat er Bayard jemals erwähnt?«
Reed schüttelte den Kopf. »So oft habe ich ihn nicht gesehen. Er hatte bestimmt noch viele Recherchen am Laufen, von denen ich noch nie etwas gehört habe - er war ja fest angestellt und musste bestimmt noch für viele andere Storys Material beschaffen.«
»Ich habe das Interview mit Ms. Ballantine im Daily Defender gelesen. Wissen Sie, was ihr in den Fünfzigern widerfahren ist? Der Reporter fragte sie, ob sie Bitterkeit empfinde - hatte das mit ihrer Entlassung von der Columbia University zu tun?«
Der Archivar wandte sich unwillkürlich dem Stapel zu, schaute aber nicht darauf. »Mr. Whitby vermutete, dass man sie auf die schwarze Liste gesetzt hatte, aber ich glaube, er hat nichts gefunden, um diese These zu beweisen. Sie musste nie vor dem Kongress aussagen, und von diesem einen Brief abgesehen, den Sie sicher
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