Blackmail: Thriller (German Edition)
bewiesen – was ich von einem ehemaligen Staatsanwalt auch nicht anders erwarten würde. Wenn ich es genau bedenke, sind Sie der verfassungsmäßige Feind. Aber ich habe Sie lieber in meinem Zelt, als dass Sie von draußen dagegenpinkeln.«
Ohne Vorwarnung nimmt Quentin Avery seinen Gehstock und stemmt sich auf die Beine – oder besser, auf das Bein.
»Ich bringe Sie zu Ihrem Wagen«, erbiete ich mich.
»Nein, danke. Ich habe jemanden, der das für mich tut.«
Nichtsdestotrotz begleite ich ihn nach vorn zum Wartezimmer. Avery bewegt sich mit großer Zielstrebigkeit, trotz seiner Behinderung. Als wir die Tür zum Wartezimmer öffnen, erhebt sich eine wunderschöne schwarze Frau von etwa vierzig Jahren und kommt uns entgegen.
»Ist das Ihre Tochter?«, frage ich, als sie uns die Tür zu Dads Praxis aufhält.
Beide lachen.
»Doris ist meine Frau«, sagt Quentin, während er nach draußen humpelt. »Penn Cage, Doris Avery.« Er zwinkert mir zu. »Jetzt begreifen Sie vermutlich, warum ich so viel Zeit zu Hause verbringe.«
»Oh ja«, sage ich verlegen, während ich mich frage, ob Avery vielleicht mehr Mitgefühl für Drew hat, als ich gedacht hätte. Ihm muss ein Altersunterschied von dreiundzwanzig Jahren eher unbedeutend erscheinen, ist er doch sicherlich fünfunddreißig Jahre älter als seine Frau.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagt er in diesem Augenblick: »Kate Townsend war erst siebzehn, das dürfen wir trotz allem nicht vergessen.«
»Nein«, stimme ich ihm zu.
»Sexuelle Tätlichkeit ist nach den Gesetzen dieses Staates ein Verbrechen«, sagt er ernst. »Dr. Elliott könnte durchaus dreißig Jahre dafür bekommen, ganz gleich, was aus der Mordanklage wird.«
»Ich verstehe.«
»Aber …«, Avery zwinkert, » wenn ein Anwalt eine Jury dazu überreden kann, ein wenig menschliches Verständnis aufzubringen, was das Problem jüngerer Frauen angeht, dann bin ich Ihr Mann.«
Ich muss lachen. »Jede Wette, Sir.«
Wir gehen langsam zum Parkplatz. Doris Avery stützt ihren Mann auf der rechten Seite, indem sie seinen Arm unterhakt. Sie sieht stark aus, mit muskulösen Oberschenkeln, die sich unter dem Rock abzeichnen.
»Jetzt, wo wir uns einig geworden sind, Penn, habe ich eine Frage an Sie«, sagt Avery.
»Schießen Sie los.«
»Was ist der wahre Grund dafür, dass Sie diesen Fall nicht allein verhandeln wollen? Das Leben Ihres Freundes steht auf dem Spiel, und Sie haben das Zeug, ihn da rauszuholen. Ich nehme an, dass Sie genügend klaren Verstand und Nüchternheit besitzen, um zu wissen, dass Sie es nicht tun sollten, aber ich glaube nicht, dass das der Grund ist.« Er sieht mir direkt in die Augen. »Es gibt nur einen Grund, der mir einfallen will, warum Sie ihn aufgeben würden: Sie wissen, dass er schuldig ist.«
Ich schüttele den Kopf. »Das ist es nicht. Die Wahrheit ist, ich überlege, bei den vorgezogenen Wahlen selbst als Bürgermeister zu kandidieren. Und wenn ich mit Shad in den Krieg ziehe, um Drew zu verteidigen, und ich verliere, dann verliere ich auch die Wahl. Vielleicht … vielleicht ist die Zukunft unserer Stadt mir wichtiger als Drews Schicksal, so kalt und gefühllos das klingen mag.«
Quentin Avery mustert mich sekundenlang. Dann entstehenkleine Fältchen um seine Augen, seine Pupillen glitzern, und schließlich teilen sich seine Lippen und enthüllen seine glänzend weißen Zähne. »Mein Junge, Sie werden eine ganz schön mächtige Beule in Shads Welt hauen, wie? Er wird Sie umbringen wollen, noch bevor der Monat zu Ende ist.«
Doris bleibt vor einem nagelneuen glänzenden Mercedes stehen und öffnet die Beifahrertür.
»Was halten Sie von der Idee, dass ich als Bürgermeister kandidiere?«, frage ich ihn.
Quentin zuckt die Schultern. »Kann ich nicht sagen, ich kenne Sie noch nicht gut genug.«
»Einverstanden. Was würden Sie zu einem weiteren weißen statt einem schwarzen Bürgermeister sagen?«
Der berühmte Anwalt kichert und blickt hinunter in das von Kudzu überwucherte Tal hinter der Praxis meines Vaters. »Was ich gerne sehen würde, wäre ein guter Bürgermeister. Diese Stadt liegt in Scherben, und sie hat keine Zeit, über Rassenideologien nachzudenken. Sie hat überhaupt keine Zeit für irgendwas, außer sich endlich um die dringendsten Aufgaben zu kümmern. Vielleicht sind Sie der richtige Mann für den Job, vielleicht sind Sie es nicht. Ich weiß nur eines: Sie sind der Mann, der Del Paytons Killer hinter Gitter gebracht hat, und das ist mehr,
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