Blackmail: Thriller (German Edition)
müssen uns sehen! Wo bist du?«
»Im County-Gefängnis. Und du?«
»Im Krankenhaus, in deinem Zimmer. Ich dachte, du wärst hier.« Ihre Stimme knistert vor Energie, doch ich vermag nicht zu sagen, ob diese Energie das Resultat von Aufregung oder Panik ist.
»Warte.« Ich gebe Quentin die Hand; dann bedeute ich ihm weiterzugehen. »Es ist die Babysitterin meiner Tochter. Ich rufe Sie später im Hotel an.«
»Vielleicht fahren wir heute Nacht nach Hause«, sagt Quentin. »Rufen Sie mich dort an, wenn Sie mich im Hotel nicht mehr antreffen.«
Ich winke Doris zum Abschied zu, während Quentin zur Bank geht. Dann wende ich mich ab und kehre zu den Aufzügen zurück. »Das sind digitale Telefone, Mia. Niemand kann dich abhören. Sag mir, was passiert ist.«
»Ich kann nicht. Es ist zu gefährlich.«
Meine Geduld ist am untersten Limit angelangt. »Mia, hör sofort mit diesem Melodrama auf und sag mir, was passiert ist!«
Das darauf folgende Schweigen verrät mir, dass ich sie verletzt habe. Es tut mir leid, aber es steht einfach zu viel auf dem Spiel für diese Highschool-Detektivgeschichten. »Mia …?«
»Schon gut«, sagt sie.
»Was ist passiert?«
»Coach Anders.«
»Was ist mit ihm?«
»Er hat mit einer Schülerin geschlafen.«
Mein Magen zieht sich zusammen. »Mit wem?«
»Jenny Jenkins. Sie ist in der Junior High!«
»Wie hast du das herausgefunden?«
»Sie hat es mir selbst gesagt, vor nicht mal fünfzehn Minuten. Ich war oben bei der Schule bei einem Treffen wegen der Klassenfahrt. Als ich rauskam, hat Jenny auf mich gewartet.«
»Seid ihr befreundet?«
»Eigentlich nicht. Sie hat es mir deswegen erzählt, weil ich die ganze Woche jeden wegen Marko angehauen habe. Du weißt schon, weil ich nach dir gesucht habe.«
»Ich verstehe immer noch nicht …«
»Das ist es ja, was ich dir zu erzählen versuche! Es geht nicht um Coach Anders – es geht um Marko! «
Es gelingt mir nicht, meine Frustration im Zaum zu halten. »Was ist mit Marko?«
»Sein Alibi ist gelogen.«
Ich spüre, wie eine Woge der Desorientierung über mir zusammenschlägt, und ich weiß nicht, ob es die nachlassende Wirkung des Oxycontins ist oder die Tatsache, dass endlich der erste Hinweis auf die Wahrheit ans Licht kommt. »Sein Alibi für welchen Tag? Den Mord an den Wilsons oder den Mord an Kate?«
»Kate!«
»Wade Anders war das Alibi von Marko.«
»Das sage ich doch die ganze Zeit! Coach Anders’ Geschichte war erstunken und erlogen!«
Ich blinzle ungläubig. »Mia, sag jetzt kein Wort mehr.«
Mia lacht auf. »Hab ich dir doch gleich gesagt!«
Ich überlege hastig. »Weißt du, wo der Jewish Hill liegt?«
»Du meinst den Hügel auf dem City Cemetery?«
»Genau. Wir treffen uns dort, so schnell es geht.«
»Ich bin schon unterwegs.«
Daniel Kelly und ich stehen am Rand des Jewish Hill und warten auf Mia. Es regnet leicht. Jenseits der beiden Brücken über den Mississippi nähert sich die Sonne dem Horizont; bald versinkt sie lautlos in dem mächtigen Strom. Ich drehe mich um und blicke über die Gräber. Kates letzte Ruhestätte ist nur noch ein niedriger Erdhügel. Das verblichene grüne Zelt darüber ist verschwunden, und es war noch nicht genügend Zeit, um einen Grabstein anzufertigen. So etwas dauert Wochen in dieser Stadt.
Ich blicke hinunter zur Straße, die sich entlang der Klippe zieht, und bemerke eine einsame Gestalt im Regen. Der Drehengel. Er dreht sich nicht, sondern steht nur mit gesenktem Kopf da, als wollte er den heraufziehenden Sturm abwettern. Ich starre auf den Engel, und hundert Gedanken gehen mir gleichzeitig durch den Kopf. Ellen hat mir gestanden, dass sie Kate getötet hat, und ich habe ihr geglaubt. Doch wenn Ellen Kate getötet hat, warum hat Marko Bakic dann Coach Anders dazu gebracht, ihm ein Alibi für die Tatzeit zu verschaffen? Hat er vielleicht ein Drogengeschäft gemacht? Falls ja, und falls Kate rein zufällig zum gleichen Zeitpunkt getötet wurde, hat Marko sich ein Alibi improvisiert, um seinen Rauschgifthandel zu decken, nicht den Mord.
Es ist eine plausible Theorie. Trotzdem, irgendetwas hat mir keine Ruhe gelassen, seit ich Ellens Geständnis vernommen habe. Es ist die Abfolge der Ereignisse, wie Ellen sie beschrieben hat. Ellen hat erzählt, Kate hätte schnell das Bewusstsein verloren, nachdem sie das Mädchen gewürgt hätte, und dass Kate hingefallen und mit dem Kopf gegen eine rostige Felge geschlagen sei. Der Pathologe jedoch, der die Autopsie an Kate
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