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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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entschuldigen. Ich kann nur hoffen, daß ich der Senora nicht auch noch zusätzlichen Kummer bereitet habe.«
    Ich kramte ohne große Begeisterung in den beiden letzten Kartons und fand auch dort nichts, was mir neue Einsicht beschert hätte. Der säuerliche Geschmack der Konfrontation mit Andy war mir noch immer im Mund. Ich fühlte eine Scham, wie man sie fühlt, wenn man zu tief gegraben hat und mehr sieht und hört, als man sehen und hören wollte. Wie ein Kind, das die Eltern beim Geschlechtsverkehr überrascht, oder ein Wanderer, der einen schönen Stein aufhebt und darunter etwas ekelhaft Schleimiges entdeckt.
    Ich kannte Familien wie die Gutierrez’, hatte solche Rafaels und Andys reihenweise erlebt. Es war ein immer gleichbleibendes Muster: der Penner und der Superknabe, die ihre Rollen mit deprimierender Vorhersehbarkeit spielten. Der eine nicht fähig, mit den Herausforderungen des Lebens fertigzuwerden, der andere bereit, sich um alles zu kümmern und alles zu erledigen. Der Penner, der die anderen dazu bringt, daß sie für ihn sorgen, der seine Verantwortung abschüttelt und sich einfach treiben läßt. Und der Superknabe, kompetent, zwanghaft, besessen, gleich zwei Jobs, notfalls auch drei, falls es die Situation erfordert, und stets bereit, die mangelhafte Leistung des Penners auszugleichen, sich die Bewunderung der Familie zu verdienen, sich nicht zu ducken unter der Last und den Zorn in Schranken zu halten - aber nicht immer.
    Ich fragte mich, welche Rolle Elena gespielt hatte, als sie noch lebte. War sie die Friedensstifterin gewesen, die Vermittlerin?
    Ins Kreuzfeuer zwischen Penner und Superknaben zu geraten, konnte allerdings gesundheitsschädlich sein.
    Ich packte die Dinge wieder so sorgfältig wie möglich in die Kartons.
    Als wir hinaustraten auf die Veranda, war Rafael noch immer völlig betäubt. Das Geräusch des Seville, als er angelassen wurde, riß ihn aus dem Schlaf, und er blinzelte mehrmals rasch hintereinander, als wache er aus einem Alptraum auf, erhob sich mühsam und wischte sich die Nase mit dem Hemdsärmel. Er schaute verwirrt zu uns herüber. Raquel wandte sich ab wie ein Tourist, der einem leprösen Bettler nicht in die Nähe kommen möchte. Als ich losfuhr, glaubte ich, einen Funken des Erkennens in seinem drogenbenommenen Gesicht zu sehen, dann machte sich wieder die Verwirrung darin breit. Die hereinbrechende Dämmerung hatte den Betrieb auf dem Sunset etwas gedämpft, aber noch immer herrschte mehr als genug Leben auf den Straßen. Autos hupten, über den Auspuffgasen erhob sich rauhes Gelächter, aus den offenen Türen der Bars drang Mariachi-Musik. Hier und da leuchteten schon die Neonreklamen, und in den Hügeln funkelten die Lichter. »Ich hab’ es vollkommen verpatzt«, sagte ich. »Nein, Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen.« Bei der Stimmung, die Raquel beherrschte, mußte sie Mühe haben, mich aufzumuntern. Ich fand diese Mühe anerkennenswert und sagte es ihr.
    »Ich habe das ehrlich gemeint, Alex. Sie sind sehr vorsichtig und gefühlvoll gewesen mit Cruz - ich verstehe, warum Sie als Psychologe so erfolgreich sind. Sie mag Sie gern.«
    »Das gilt offensichtlich nicht für den Rest der Familie.«
    Sie schwieg ein paar Blocks weit.
    »Andy ist ein netter Junge- er gehörte nie zu einer der Banden, hat sich deshalb oft genug verprügeln lassen. Er mutet sich viel zu. Wissen Sie, jetzt ruht alles auf seinen Schultern.«
    »Warum macht er es sich dann noch extra schwer?«
    »Sie haben recht. Er macht sich mehr Probleme als nötig - aber tun wir das nicht alle? Er ist ja erst achtzehn. Vielleicht wird er noch erwachsen.«
    »Ich frage mich die ganze Zeit, ob ich es nicht geschickter hätte anpacken können.« Dabei dachte ich noch einmal an die Einzelheiten meiner Auseinandersetzung mit dem jungen Burschen.
    »Ihre Frozzelei hat es nicht gerade besser gemacht, aber ich glaube, das hat nicht viel geändert. Er kam herein und war bereit, zu kämpfen. Wenn die Latino-Männer in dieser Stimmung sind, kann man wenig dagegen tun. Kommt noch der Alkohol dazu, dann begreift man, warum wir jeden Samstagabend die Notaufnahmestationen voll mit den Opfern von Messerstechereien haben.«
    Ich mußte an Elena Gutierrez und Morton Handler denken. Die hatten es nicht mehr bis zur Notaufnahmestation geschafft. Ich gestattete mir eine kurze Fahrt aus diesem Zug der Gedanken, dann bremste ich ab und verstaute sie in einem dunklen Depot irgendwo in meinem Unterbewußtsein.
    Ich

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