Blackout
Ich nahm ihr das Zeitungsbild weg.
Dann setzte ich mich neben sie und hielt ihre Hände in den meinen.
»Ich war scheußlich zu dir, Alex, schon gestern und erst recht heute früh. Dich einfach so liegenzulassen. Sobald du die Tür zugemacht hattest, hab’ ich dich schon vermißt. Du weißt ja, wie das ist, wenn man dann immer dran denkt: was, wenn ihm etwas passiert, wenn du ihn nie wiedersiehst - man wird ganz verrückt. Ich konnte nicht arbeiten, konnte nicht in diesem Zustand von Maschinen umgeben sein. Der Tag war futsch. Ich hab’ dir hinterhertelefoniert, dich aber nirgends erwischt. Und hier bin ich.«
»Die Tugend hat ihren Lohn«, murmelte ich leise zu mir selbst.
»Was sagst du, Lieber?«
»Ach, nichts.« Jeder Bericht über meine pubertäre Unbedachtheit hätte beim Erzählen gelitten und vermutlich wie eine alberne Toilettenschmiererei gewirkt- ›ja, ich hab’ ‘ner anderen an die Titten gefaßt, Schatz‹ - oder, noch schlimmer, wie ein Geständnis geklungen.
Ich legte mich neben sie. Wir hielten uns fest, sagten uns hübsche Dinge, redeten die Babysprache und streichelten uns. Ich war von der Taille nach unten durchblutet wie selten, vermutlich teils die Folge meiner Randsteinsitzung mit Raquel, überwiegend aber ein Ergebnis des Augenblicks. »Im Kühlschrank sind zwei riesige Porterhouse-Steaks und eine Schüssel Caesar’s Salat; außerdem gibt es Burgunder und Sauerteigbrot«, flüsterte sie und kitzelte meine Nase mit ihrem kleinen Finger.
»Du bist eine sehr oral fixierte Person.« Ich lachte. »Ist das neurotisch, Doktor?«
»Nein. Es ist wundervoll.«
»Und das? Und das?«
Der Bademantel fiel auf. Sie kniete über mir und ließ ihn über die Schultern gleiten. Von hinten beleuchtet durch die Glut des Feuers, sah sie aus wie der Torso einer grandiosen, goldenen Statue.
»Komm schon, Liebster«, drängte sie, »zieh dich doch aus.« Und von da an nahm sie die Angelegenheit in ihre Hände.
»Ich liebe dich«, sagte sie später. »Auch wenn du katatonisch bist.«
Ich weigerte mich, auch nur ein Glied zu bewegen, und lag mit weit ausgebreiteten Armen auf dem Boden. »Mir ist kalt.«
Sie deckte mich zu, stand auf und streckte sich, dann lachte sie vor Vergnügen.
»Wie kannst du danach so herumhüpfen?« stöhnte ich. »Frauen sind stärker als Männer«, erklärte sie fröhlich und tanzte weiter durch den Raum, summte dazu und streckte sich noch mehr, so daß die Muskeln ihrer Oberschenkel sich anspannten und bewegten wie die Blasen in den Wasserwaagen der Tischler. Als ich sie so betrachtete, ging mir ein Schauer durch den Körper.
»Mach nur so weiter, und ich zeige dir, wer stärker ist.«
»Später, du großer, starker Junge.« Sie neckte mich mit der großen Zehe und sprang,, als ich sie greifen wollte, mit geschickter Beweglichkeit davon.
Als die Steaks fertig waren, erinnerte ich mich nur noch sehr vage an die Kochkünste von Mrs. Gutierrez und aß mit großem Appetit. Wir saßen nebeneinander in der Frühstücksecke und schauten durch das bleigefaßte Glas hinaus, als die Lichter in den Hügeln angingen wie die Suchscheinwerfer einer weit entfernten Expedition. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter. Mein Arm bahnte sich einen Weg um ihren Rücken, meine Fingerspitzen zeichneten die Konturen ihres Gesichts nach. Wir tranken den Wein aus einem Glas. »Ich liebe dich«, sagte ich.
»Ich dich auch.« Sie küßte die Unterseite meines Kinns. Dann, nach ein paar Schlucken:
»Du hast heute wieder für diese Mordfälle ermittelt, nicht wahr?«
»Ja.«
Sie stärkte sich mit einem großen Schluck und schenkte dann nach.
»Keine Angst«, sagte sie. »Ich fall’ dir nicht wieder damit auf die Nerven. Nicht, daß es mir gefällt, aber ich denke nicht mehr daran, dir Verhaltensmaßregeln zu erteilen.« Ich umarmte sie dankbar.
»Ich meine, ich würde nicht wollen, daß du mir vorschreibst, was ich zu tun habe, also schreibe auch ich es dir nicht vor.« Sie betonte, daß sie für Liberalität war, doch die Sorge blieb in ihrer Stimme wie eine Mücke in einem Stück Bernstein. »Ich paß schon auf mich auf«
»Das weiß ich«, sagte sie zu rasch. »Du bist ein gescheiter Mann. Du kannst allein auf dich aufpassen.«
Sie reichte mir den Wein.
»Wenn du es mir erzählen willst, Alex, ich höre dir gern zu.« Ich zögerte.
»Erzähl es mir. Ich will wissen, was vor sich geht.« Also gab ich ihr einen Bericht über die beiden letzten Tage und endete mit Andy Gutierrez, ließ
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