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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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schaute zu Raquel hinüber. Sie saß steif auf den weichen Lederpolstern, ließ sich nicht bequem nach hinten sinken. Ihr Körper war bewegungslos, aber die Hände spielten nervös mit dem Stoff ihres Rocks.
    »Haben Sie Hunger?« fragte ich sie. In Zweifelsfällen hält man sich an die Grundbedürfnisse.
    »Nein. Wenn Sie wollen, können Sie aber gern irgendwo anhalten.«
    »Ich hab’ noch den Geschmack des chorizo im Mund.«
    »Dann bringen Sie mich heim.«
    Als ich bei ihrem Apartmenthaus ankam, war es dunkel, die Straßen waren leer.
    »Danke, daß Sie mich begleitet haben.«
    »Ich hoffe, es hat genützt.«
    »Ohne Sie wäre es eine Katastrophe geworden.«
    »Danke.« Sie lächelte und beugte sich zu mir herüber. Es begann als ein Kuß auf die Wange, aber einer von uns beiden bewegte sich, und es wurde ein Kuß auf die Lippen. Dann ein kindliches Vorwärtstasten mit den Zähnen, genährt von Hitze und Verlangen, das rasch zu einem wilden, keuchenden und sehr erwachsenen Beißen wurde. Wir drückten uns aneinander, ihre Arme glitten um meinen Hals, meine Hände berührten ihr Haar, ihr Gesicht, ihren Rücken. Unsere Lippen teilten sich, dann die Zähne, und die Zungen umschlangen sich wie unsere Arme. Wir atmeten heftig, wanden uns und kämpften, um noch näher zueinander zu kommen.
    Wir knutschten wie die Teenager, endlose Minuten lang. Ich knöpfte einen Knopf ihrer Bluse auf. Sie gab einen kehligen Laut von sich, nahm meine Unterlippe zwischen ihre Zähne, leckte mein Ohr. Meine Hand glitt über die heiße Seide ihres Rückens, als wenn sie selbständig geworden wäre, hakte ihren BH auf, glitt um ihre Brüste. Die Brustwarzen, hart wie Kiesel und feucht, drückten gegen meine Handfläche. Sie ließ ihre Hand weiter nach unten gleiten, ihre zarten Finger zerrten an meinem Reißverschluß.
    Ich war derjenige, der den Rückzieher machte. »Was ist?«
    Es gibt nichts, was man in einer solchen Situation sagen könnte und was nicht wie ein Klischee oder total idiotisch klingen würde - oder beides. Ich wählte beides.
    »Entschuldigen Sie. Bitte nehmen Sie es nicht persönlich.«
    Sie fuhr hoch, knöpfte sich zu, strich über den Rock, über das Haar.
    »Wie soll ich es denn sonst nehmen?«
    »Sie sind sehr begehrenswert.«
    »Wie man sieht.«
    »Sie sind sehr attraktiv für mich, verdammt. Ich würde Sie sehr gern lieben.«
    »Und was steht dagegen?«
    »Eine Bindung.«
    »Sie sind doch nicht verheiratet, oder? Sie tun nicht so, als wenn Sie verheiratet wären.«
    »Es gibt andere Bindungen, nicht nur die Ehe.«
    »Ich verstehe.« Sie nahm ihre Handtasche und legte die Hand auf den Türgriff. »Diese Person, an die Sie gebunden sind - würde es ihr etwas ausmachen?«
    »Ja. Aber vor allem würde es mir selbst etwas ausmachen.« Sie brach in ein Lachen aus, das nicht weit von Hysterie entfernt war.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie zuletzt, als sie wieder Atem geschöpft hatte. »Es ist wirklich die verdammte Ironie des Schicksals. Glauben Sie vielleicht, ich tue das oft? Es ist das erste Mal seit langer Zeit, daß ich mich für einen Mann interessiere. Die Nonne bricht aus dem Kloster aus - und wen trifft sie? Einen Heiligen.«
    Sie kicherte. Es klang fiebrig, zerbrechlich - und war mir unangenehm. Ich hatte es satt, immer am empfangenden Ende der Frustrationen anderer zu stehen, nahm aber an, daß sie ein Recht hatte auf diesen Augenblick, in dem sie sich in den Mittelpunkt stellte.
    »Ich bin kein Heiliger, glauben Sie das bloß nicht.«
    Sie berührte meine Wange mit den Fingern. Es war, wie wenn man mit heißer Kohle gestreichelt würde.
    »Nein, Sie sind einfach ein netter Kerl, Delaware.«
    »So komme ich mir momentan nicht vor.«
    »Ich werde Sie noch einmal küssen«, sagte sie, »aber diesmal in allen Ehren. So, wie es von Anfang an hätte bleiben müssen.«
    Und genau das tat sie.

18
    Als ich nach Hause kam, warteten zwei Überraschungen auf mich.
    Die erste war Robin, die in meinem alten, gelben Bademantel auf dem Ledersofa lag und heißen Tee trank. Im Kamin brannte ein Feuer, und die Stereoanlage spielte die Eagles-Platte Desperado.
    Robin hatte sich ein Zeitungsphoto von Lassie wie eine Reklametafel um den Hals gehängt. »Hallo, Darling«, sagte sie. Ich warf meine Jacke über einen Stuhl. »Hallo. Was bedeutet der Hund?«
    »Ich wollte dir auf meine Weise klarmachen, daß ich ekelhaft, gewesen bin, daß es mir leid tut und daß Lassie heimgekommen ist.«
    »Es braucht dir nicht leid zu tun.«

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