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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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säße er längst im Kittchen.« Seine Stimme schnappte über, und er versuchte, es zu verbergen.
    »Mr. Gutierrez«, sagte ich leise, »die Unterstützung der Familie kann sehr hilfreich sein in diesen -«
    »Hey, Mann, ich sag’ es doch schon dauernd, diese Familie weiß nichts davon. Oder glauben Sie vielleicht, wir wissen, was für verrückte Arschlöcher so etwas tun? Glauben Sie, hier bei uns gibt es Leute, die so etwas fertigbringen, Mann?« Er kniff die Augen zusammen, betrachtete meine Ausweiskarte, las sie mit Mühe, bewegte dabei die Lippen. Er sprach mehrmals tonlos das Wort ›Berater‹ aus, bevor er kapierte. »Ich glaub’, ich spinne, Mann. Sie sind ja noch nicht mal ein richtiger Bulle. Scheiß-Berater, und den schicken sie hierher, klar. Was heißt eigentlich Ph. D.?«
    »Doktor in Psychologie.«
    »Dann sind Sie ein Kopfschrumpfer - schicken die uns doch einen Scheiß-Psychodingsda her, als ob hier jemand verrückt ist! Glauben Sie, wir haben einen Verrückten in der Familie, Mann? Glauben Sie das?«
    Jetzt atmete er mir ins Gesicht. Seine Augen waren weich und braun, mit langen, träumerischen Wimpern wie bei einem Mädchen. Solche Augen können täuschen und einen Kerl dazu verführen, daß er in Reaktion darauf die große Macho-Rolle abzieht.
    Ich wußte zwar, daß es in seiner Familie genügend Probleme für einen Psychologen gab, beantwortete aber seine Frage nicht.
    »Was für’n Scheiß haben Sie hier zu tun, he? Wollen Sie uns auf Psycho untersuchen, Mann?«
    Als er sprach, besprühte er mich mit Spucke. In meinem Bauch dehnte und vergrößerte sich ein Ballon des Zorns. Automatisch nahm mein Körper eine Verteidigungsstellung aus dem Karate an.
    »Ich kann es Ihnen erklären; es hat nichts damit zu tun. Oder kann man es Ihnen nicht erklären, weil Sie stur sind wie ein Bulle?«
    Ich bedauerte es, sobald ich es gesagt hatte. »Bulle - Gottverdammich, Mann, Sie sind doch der Bulle!« Seine Stimme wurde eine Oktave höher, und er packte mich am Revers meiner Jacke.
    Ich war bereit, bewegte mich aber nicht. Er ist in Trauer, sagte ich mir. Er ist nicht dafür verantwortlich. Ich hielt seinem Blick stand, erwiderte ihn mit gleicher Schärfe. Er wich zurück. Jeder von uns begrüßte eine Gelegenheit, zurückweichen zu können, ohne das Gesicht zu verlieren. Soviel zur Zivilisation. »Raus jetzt, Mann, aber dalli.«
    »Antonio!«
    Mrs. Gutierrez war auf den Gang gekommen. Hinter ihr sah ich Raquel. Plötzlich schämte ich mich. Ich hatte eine höchst delikate Situation total verpatzt. Der brillante Psychologe… »Mama, hast du den Kerl reingelassen?«
    Mrs. Gutierrez entschuldigte sich mit Blicken bei mir und redete dann in Spanisch auf ihren Sohn ein. Er schien unter Mamas drohendem Finger und den dunklen Blicken dahinzuwelken.
    »Mama, ich hab’ dir schon oft gesagt, die scheren sich den Teufel um -« Er brach ab und fuhr auf Spanisch fort. Es hörte sich an, als ob er sich entschuldigte; der Machismo erwies sich als wirkungslos.
    So ging es eine Weile hin und her. Dann begann er, sich mit Raquel anzulegen. Sie gab es ihm postwendend zurück. »Dieser Mann versucht nur, uns zu helfen. Dir zu helfen, Andy. Warum hilfst du ihm nicht auch, statt ihn davonzujagen?«
    »Ich brauch’ keine Hilfe, von niemand. Wir werden uns selbst helfen, wie wir das immer getan haben.« Sie seufzte.
    »Scheiße!« Er ging in sein Zimmer, kam mit einer Schachtel Marlboros zurück und machte eine große Schau daraus, wie er eine Zigarette dem Päckchen entnahm, sich zwischen die Lippen steckte und anzündete. Einen Moment lang verschwand sein Gesicht hinter einer bläulichen Wolke, dann funkelten die Augen und richteten sich von mir auf seine Mutter, auf Raquel und wieder auf mich. Er nahm den Schlüsselbund von seinem Gürtel und hielt die Schlüssel zwischen den Fingern, ein provisorischer Schlagring.
    »Ich geh’ jetzt, Mann. Und wenn ich wiederkomme, sind Sie verschwunden. Klar?«
    Er stieß die Tür mit dem Fuß auf und lief hinaus. Wir hörten den knatternden Donner des Motorrads, das angelassen wurde, und das Dröhnen des Motors, das rasch leiser wurde, als er davonfuhr.
    Mrs. Gutierrez ließ den Kopf hängen und sagte etwas zu Raquel.
    »Sie bittet um Verzeihung für Andys rüpelhaftes Benehmen. Er ist seit Elenas Tod ganz durcheinander. Er arbeitet in zwei Jobs und steht unter großem Druck.«
    Ich hielt eine Hand hoch, um die Entschuldigungsrede zu stoppen.
    »Sie brauchen sich nicht zu

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