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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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lagen ein Karton mit Marlboro-Schachteln und ein Stapel Taschenbücher. Eines der Betten war ordentlich gemacht, das andere wild zerwühlt. Dazwischen stand ein Couchtisch aus Kiefernholz, darauf eine Lampe mit Plastikfuß, ein Aschenbecher und ein spanisches Pornomagazin. Ich kam mir vor wie ein Voyeur, zog den ersten Karton zu mir her und begann meine Exkurison in Pop-Archäologie. Nachdem ich drei Kartons durchgesehen hatte, befand ich mich in miserabler Stimmung. Meine Hände waren klebrig vom Staub, meine Gedanken erfüllt von dem Bild des toten Mädchens. Ich hatte nichts von Bedeutung entdeckt, nichts als die Scherben, die immer nach oben kommen, wenn man lange genug gräbt. Kleidung, die nach Mädchen roch, halbleere Fläschchen mit Kosmetika- die Erinnerung daran, daß da einmal jemand versucht hatte, sich die Wimpern dicht und dunkel zu machen, dem Haar den berühmten Clairol-Schimmer zu verleihen, die Pickel zu verbergen und die Lippen glänzend zu malen, dazu an allen strategisch wichtigen Stellen gut zu duften. Zettel, die daran erinnerten, Eier bei Vons und Wein im Vendome zu besorgen, dazu andere Kryptogramme, Wäschereizettel, Kreditkartenquittungen der Tankstellen, Bücher- viele Bücher, die meisten Biographien und Lyrik-Souvenirs, darunter eine Miniatur-Ukulele aus Hawaii, ein Aschenbecher von einem Hotel in Palm Springs, winzige Skistiefel, eine fast volle Packung Antibabypillen, alte Lehrpläne, Aktennotizen des Schulleiters, Kinderzeichnungen - aber keine von einem Jungen, der Nemeth hieß. Die ganze Aktion war für meinen Geschmack ausgesprochen grabschänderisch. Ich begriff mehr als je zuvor, warum Milo zuviel trank.
    Zwei Kartons hatte ich noch vor mir. Ich zog sie her, arbeitete schneller und war fast fertig damit, als das Röhren eines Motorrads die Luft erzittern ließ, dann abrupt verstummte.
    Die hintere Tür ging auf. Schritte waren im Vorraum zu vernehmen.
    »Was, zum Teufel -«
    Er war neunzehn oder zwanzig Jahre alt, klein und stämmig gebaut, und trug ein verschwitztes, braunes, ärmelloses Trägerhemd, das die Muskeln deutlich hervortreten ließ, eine ölfleckige Khakihose und verdreckte Arbeitsstiefel. Sein Haar war dicht und zottig. Es klebte an seinen Schultern und wurde durch ein geflochtenes Stirnband aus Leder zusammengehalten. Er hatte feine, fast edel geschnittene Züge, die er durch einen Schnurrbart und einen Bart zu verbergen suchte. Der Bart war ein schütteres Dreieck unterhalb des Kinns. Der Bursche sah aus wie ein braver Junge, der im Schülertheater die Rolle des Pancho Villa übernommen hatte. An seinem Gürtel hing ein Schlüsselbund, und die Schlüssel klirrten, als er auf mich zukam. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und roch nach Motorenöl.
    Ich ließ ihn das Identifikationsschild des Polizei-Departments von Los Angeles sehen. Er fluchte, blieb aber stehen. »Hören Sie, Mann, Ihre Leute waren schon letzte Woche hier. Wir haben euch gesagt, daß wir nichts haben-« Er schaute hinunter auf den Inhalt des Kartons, der ausgebreitet auf dem Boden lag. »Scheiße, die haben das doch schon durchgeschaut. Ich hab’ alles zusammengepackt für die Straßensammlung, Mann.«
    »Nur eine abschließende Prüfung«, erklärte ich freundlich. »Dann frage ich mich, warum ihr Trottel es nicht endlich einmal lernt, eure Arbeit gleich beim erstenmal richtig zu tun, okay?«
    »Ich bin gleich fertig.«
    »Sie sind schon fertig, Mann. Jetzt. Raus.«
    Ich war aufgestanden.
    »Lassen Sie mir fünf Minuten, dann räume ich alles wieder auf.«
    »Hinaus, Mann!« Er zeigte mit dem Daumen auf die Hintertür. »Ich versuche, den Tod Ihrer Schwester aufzuklären, Andy. Sie brechen sich bestimmt keine Verzierung ab, wenn Sie mir dabei behilflich sind.«
    Er kam einen Schritt näher. Jetzt sah ich, daß er Schmieröl auf der Stirn und unter den Augen hatte.
    »Kommen Sie mir nicht mit ›Andy‹, Sie Trottel. Das ist mein Haus, und ich bin für Sie Mister Gutierrez. Und erzählen Sie mir keinen Scheiß von wegen Aufklärung und so. Leute wie Sie finden den Dreckskerl nie, der meine Schwester Elena umgebracht hat, und warum nicht? Weil es euch eigentlich scheißegal ist. Ihr platzt einfach herein und schnüffelt in unseren Privatsachen herum und behandelt uns, als wenn wir Dreck wären. Gehen Sie lieber raus auf die Straße, Mann, und suchen Sie den Kerl dort. Das war in Beverly Hills, nicht wahr, da ist es passiert, und wenn er die Tochter von reichen Leuten umgebracht hätte, dann

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