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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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reagieren.
    Nicht die Tatsache, daß ich den Leichnam gefunden hatte, war dafür verantwortlich, denn ich war erschreckende Ereignisse gewohnt, aber der Tod Hickles in meiner Praxis wirkte als Katalysator, der mich in eine regelrechte Krise stürzte. Zurückblickend sehe ich jetzt, daß die Behandlung seiner Opfer es mir gestattet hatte, für sechs Wochen der Tretmühle zu entkommen, und daß mir das Ende der Behandlung Spielraum gelassen hatte, mich dem gefährlichen Zeitvertreib der Selbstmordbeobachtung zu ergeben. Und das, was ich dabei beobachtete, wollte mir offenbar gar nicht gefallen.
    Ich war allein, isoliert, ohne einen einzigen wirklichen Freund auf der Welt. Fast ein Jahrzehnt lang waren die einzigen Menschen, zu denen ich persönliche Beziehungen unterhielt, meine Patienten, und Patienten waren schon der Definition nach Empfangende und nicht Gebende. Das Gefühl der Einsamkeit steigerte sich bis zur Schmerzgrenze. Ich verstärkte meine Nabelschau und wurde zutiefst deprimiert. Ich meldete mich in der Klinik krank, sagte meine Termine mit Privatpatienten ab und verbrachte Tage im Bett, wobei ich Seifenopern im Fernsehen sah. Die Geräusche und die Lichter des Bildschirms schwappten über mich hingweg wie irgendein scheußliches, paralytisches Rauschgift, das zwar abstumpfte, aber nicht heilte.
    Ich aß wenig und schlief zuviel, fühlte mich benommen, schwach und nutzlos. Ich ließ den Telefonhörer ausgehängt und ging nie aus dem Haus, es sei denn, um die Post mit dem Fuß über die Schwelle zu schieben, bevor ich die Tür wieder schloß und mich in meine Einsamkeit zurückzog. Am achten Tag dieser trübseligen Existenz stand Milo an meiner Tür und wollte mir ein paar Fragen stellen. Er hatte einen Notizblock in der Hand, genau wie ein Analytiker. Er sah allerdings nicht sp aus: ein großer, erschlaffter Kerl mit zerwühltem Haar und einem Anzug, in dem er schon tagelang geschlafen zu haben schien.
    »Doktor Alex Delaware?« Dazu hielt er mir seinen Dienstausweis vor die Nase. »Ja.«
    Er stellte sich mir vor und starrte mich dann an. Ich hatte nichts als einen verlotterten gelben Bademantel an. Mein ungetrimmter Bart hatte rabbinerhafte Ausmaße angenommen, und mein Haar sah aus wie elektrisch geladene Spaghetti. Trotz meiner dreizehn Stunden Schlaf täglich fühlte ich mich unendlich müde, was man deutlich erkennen konnte. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht, Doktor. Ihr Büro hat mir Ihre Privatnummer gegeben, aber mit dem Telefon scheint etwas nicht in Ordnung zu sein.«
    Ich ließ ihn ein, und er setzte sich und schaute sich bei mir um. Stapel ungeöffneter Post lagen auf dem Tisch im Eßzimmer. Das Haus war dunkel, die Vorhänge zugezogen, und es roch nach abgestandener Luft. Auf dem Bildschirm flackerte ›Die besten Jahre unseres Lebens‹.
    Er legte seinen Schreibblock auf das eine Knie und teilte mir mit, daß das Gespräch eine Formalität für die gerichtliche Voruntersuchung durch den Coroner sei. Dann ließ er mich den Abend, als ich den Toten in meiner Praxis gefunden hatte, ausführlich schildern, unterbrach mich hier und da, um einen Punkt klarzustellen, kratzte sich, schrieb und starrte mich an. Es war eine mühsame Prozedur, und meine Gedanken schweiften oft ab, so daß er seine Fragen wiederholen mußte. Manchmal sprach ich so leise, daß er mich bat, meine Antwort noch einmal zu geben.
    Nach zwanzig Minuten fragte er: »Doktor, sagen Sie, ist Ihnen nicht wohl?«
    »Mir geht es gut.« Nicht überzeugend.
    »Oka-ay.« Er schüttelte den Kopf, stellte noch ein paar Fragen, legte dann den Bleistift weg und lachte nervös.
    »Wissen Sie, ich komme mir komisch vor, wenn ich einen Doktor frage, ob er sich nicht wohl fühlt.«
    »Denken Sie sich nichts dabei.«
    Er setzte die Befragung fort, und ich erkannte selbst durch den Nebel in meinem Kopf, daß er eine merkwürdige Technik hatte. Er sprang von Thema zu Thema, ohne eine erkennbare Linie in der Befragung. Das brachte mich aus dem Gleichgewicht, und zugleich wurde mir klar, daß ich auf der Hut sein mußte.
    »Sie sind ein Assistent des Lehrstuhlinhabers an der kindermedizinischen Fakultät der Universität?«
    »Sein Stellvertreter.«
    »Ziemlich jung für einen stellvertretenden Professor, nicht wahr?«
    »Ich bin zweiunddreißig. Ich habe früh angefangen.«
    »Aha. Wie viele Kinder waren in Ihrem Behandlungsprogramm?«
    »Ungefähr dreißig.«
    »Eltern?«
    »Vielleicht zehn oder elf Paare und ein halbes Dutzend Einzelpersonen,

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