Blackout
Beziehung zwischen uns entwickelte sich rasch. Etwa drei Wochen, nachdem wir uns kennengelernt hatten, teilte er mir mit, daß er homosexuell sei. Ich war überrascht und zunächst sprachlos.
»Ich sag’ es dir jetzt, weil ich nicht will, daß du glaubst, ich hätte versucht, dich anzumachen.«
Ich war beschämt, weil genau das mein erster Gedanke gewesen war.
Es war für mich anfangs trotz all meiner psychologischen Kenntnisse nicht leicht, anzuerkennen, daß er schwul war. Sicher, ich kannte alle Fakten. Daß sie zwischen fünf und zehn Prozent in einer jeden menschlichen Gruppierung ausmachen. Daß die meisten von ihnen aussehen wie du und ich. Daß sie jedermann sein konnten: der Schlachter, der Bäcker, der Kriminalbeamte in der Mordkommission. Daß die meisten von ihnen relativ gut angepaßt sind. Und dennoch hat man die albernen Klischees im Kopf. Man rechnet damit, daß sie sich geziert benehmen, daß sie kreischende, weibische Tunten sind- oder ledergerüstete Dämonen mit glattrasierten Schädeln; ach-wie-so-jungenhafte Schnauzhühner in Lacostehemden und Khakihosen - oder kerlige Lesben in Motorradstiefeln. Milo sah nicht homosexuell aus.
Aber er war es, und er lebte seit mehreren Jahren recht zufrieden damit. Er verheimlichte es nicht, ging aber auch nicht damit hausieren.
Ich fragte ihn, ob seine Dienststelle darüber Bescheid wußte.
»Mhm. Nicht in dem Sinn, daß es darüber einen offiziellen Bericht in den Akten gibt. Aber man weiß es einfach.«
»Und wie behandelt man dich?«
»Mißbilligend aus der Entfernung - kalte Blicke. Aber überwiegend heißt es bei uns: leben und leben lassen. Es gibt nicht genügend Leute, und ich bin gut bei der Arbeit. Was wollen sie? Die ACLU einschalten und dabei einen guten Kriminalbeamten verlieren? Ed Davis war ein Schwulenhasser. Aber er ist weg, und das ist kein Unglück.«
»Was ist mit deinen Kollegen?« Er zuckte mit den Schultern.
»Sie lassen mich in Ruhe. Wir reden über den Beruf. Schließlich brauchen wir uns ja nicht privat zu verabreden.« Jetzt kapierte ich, warum er von den Männern bei ›Angela’s‹ nicht sonderlich überschwenglich begrüßt wurde. Und auch Milos anfängliche Selbstlosigkeit, sein Bedürfnis, mir zu helfen, war aus dieser Sicht besser zu verstehen. Er wußte, was es bedeutete, allein zu sein. Ein schwuler Polizist war ein Mensch, der im Fegfeuer lebte. Nie zählte man zu der verschworenen Bande von Kollegen auf dem Revier, egal, wie gut man seinen Job tat. Und die Homosexuellengemeinde mußte argwöhnisch reagieren, wenn jemand nicht nur so aussah und so tat, sondern wirklich Polizist war. »Ich hab’ gedacht, ich muß dir das sagen, jetzt, wo wir dabei sind, uns zu befreunden.«
»Es ist keine große Sache, Milo.«
»Nein?«
»Nein.« Ich fühlte mich keineswegs wohl dabei- aber ich gewöhnte mich verdammt gut daran.
Einen Monat, nachdem Stuart Hickle sich eine 22er in den Mund gesteckt und sein Gehirn auf meine Tapete gespritzt hatte, traf ich einige größere Veränderungen in meinem Leben. Ich kündigte beim Western Pediatric und schloß meine Praxis. Ich empfahl alle meine Patienten einem ehemaligen Studenten von mir, einem erstklassigen Therapeuten, der gerade seine Praxis eröffnet hatte und Patienten brauchte. Ich hatte sehr wenige neue Leute übernommen, seit ich mich mit der Gruppentherapie für die Kim’s Kornergeschädigten Familien befaßte, so daß weniger Trennungsängste entstanden, als ich es normalerweise erwartet hätte.
Ich verkaufte mein Apartmenthaus in Malibu, vierzig Wohnungen,. die ich Jahre zuvor gekauft hatte, und ich machte guten Profit beim Verkauf. Außerdem verkaufte ich ein Doppelhaus in Santa Monica. Einen Teil des Geldes - das, was mir normalerweise die Steuer abnehmen würde - steckte ich in den sicheren Geldmarkt. Für den Rest kaufte ich mir steuerfreie Stadtanleihen. Nicht die Art von Investition, die mich reicher machen würde, aber sie sicherte mir finanzielle Stabilität. Ich schätzte, daß ich mindestens zwei oder drei Jahre von den Zinsen leben konnte, wenn ich keine allzu großen Sprünge machte.
Ich verkaufte meinen alten Chevy und kaufte mir einen Cadillac Seville, einen neunundsiebziger - aus dem letzten Jahr, als die Modelle noch gut aussahen. Er war waldgrün mit sattelfarbenen Lederbezügen im Inneren, das dadurch angenehm weich und obendrein erstaunlich ruhig war. Bei den wenigen Strecken, die ich fuhr, machten die Meilen, die er schon draufhatte, nicht viel
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