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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Mütter oder Väter.«
    »Wurde bei der Behandlung über Hickle gesprochen?«
    »Das fällt unter die ärztliche Schweigepflicht.«
    »Selbstverständlich, Sir… Sie haben die Behandlung durchgeführt als Teil Ihres Jobs beim -« Er warfeinen Blick auf seine Notizen, »- beim Western Pediatric Center.«
    »Es war eine freiwillige Arbeit im Auftrag des Krankenhauses.«
    »Heißt das, Sie wurden nicht dafür bezahlt?«
    »Ich habe weiter mein Gehalt bekommen, und das Krankenhaus hat mich auf die Dauer der Behandlung meiner sonstigen Pflichten enthoben.«
    »Es gab auch Väter in Ihrer Behandlungsgruppe, nicht wahr?«
    »Ja.« Ich dachte, ich hätte schon erwähnt, daß auch Väter sowie Paare dabei waren.
    »Einige von diesen Männern waren ziemlich wütend auf Mr. Hickle, nehme ich an.«
    Mr. Hickle! Nur ein Polizeibeamter konnte so künstlich höflich sein, einen toten Perversen mit Mr. oder Sir zu bezeichnen. Unter sich benützten sie andere Begriffe, nahm ich an. Aber diese unerträgliche Etikette war vielleicht eine Möglichkeit, die Schranke zwischen Polizist und Privatmann aufrechtzuerhalten.
    »Die Schweigepflicht, Detective.«
    Er grinste, als wollte er sagen ›Man kann’s ja mal versuchen‹, und kritzelte etwas auf seinen Block.
    »Warum stellen Sie so viele Fragen bei einem eindeutigen Selbstmord?«
    »Nur Routine.« Er antwortete automatisch, ohne aufzublicken. »Ich bin ein gründlicher Mensch, wissen Sie.« Dazu starrte er mich geistesabwesend an, ehe er fragte: »Hatten Sie irgendwelche Hilfe bei den Gruppensitzungen?«
    »Ich habe die Familien ermuntert, daran teilzunehmen und sich selbst zu helfen. Aber wenn Sie es so meinen: Ich war der einzige Profi.«
    »Eine Art Berater?«
    »Genau.«
    »Gibt es jetzt bei uns auch!« Unverbindlich. »Also haben die Angehörigen es selbst übernommen.«
    »Schrittweise. Ich war stets dabei.«
    »War einer von ihnen im Besitz eines Schlüssels zu Ihrer Praxis?«
    Aha, das war es.
    »Nein, gewiß nicht. Glauben Sie, einer von diesen Leuten könnte Hickle umgebracht und es dann so dargestellt haben, als ob es ein Selbstmord gewesen wäre?« Natürlich glaubte er das. Auch mir war dieser Verdacht gekommen.
    »Ich untersuche nur, ohne Folgerungen zu ziehen.« Dieser Kerl war schwer faßbar; er hätte wirklich ein Analytiker sein können.
    »Ich verstehe.«
    Abrupt stand er auf, klappte den Block auf dem Schreibbrett zu und steckte seinen Bleistift ein.
    Ich erhob mich ebenfalls, ging mit ihm zur Tür, schwankte und war eine Sekunde danach weggetreten.
     
    Das erste, was ich sah, als ich wieder zu mir kam, war sein großes, häßliches Gesicht, das sich über mich beugte. Mir war feucht und kalt. Er hatte einen Waschlappen in der Hand, von dem mir Wasser ins Gesicht tropfte.
    »Sie sind auf einmal bewußtlos geworden. Wie geht es Ihnen?«
    »Gut.« In Wirklichkeit fühlte ich mich alles andere als gut. »Aber Sie sehen gar nicht gut aus. Vielleicht sollte ich einen Doktor rufen, Doktor.«
    »Nein.«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein. Es ist nichts. Ich habe seit ein paar Tagen eine Erkältung. Jetzt muß ich erst mal wieder etwas in den Magen kriegen.«
    Er ging in die Küche und kam mit einem Glas Orangensaft zurück. Ich trank ein paar Schlucke und begann mich besser zu fühlen. Kräftiger.
    Dann setzte ich mich auf und nahm das Glas selbst in die Hand. »Danke«, sagte ich.
    »Schützen und dienen, wie es in unserer Dienstanweisung heißt.«
    »Es geht mir jetzt wirklich gut. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben…«
    »Nein. Momentan nicht.« Er stand auf und öffnete ein Fenster; das Licht schmerzte in meinen Augen. Er schaltete den Fernseher aus.
    »Wollen Sie was essen, bevor ich gehe?«
    Was für ein sonderbarer, ein geradezu mütterlicher Mann.
    »Es geht mir wieder gut.«
    »Okay, Doktor. Passen Sie auf sich auf.«
    Ich wollte, daß er endlich ging. Aber als das Geräusch seines Motors nicht mehr zu hören war, fühlte ich mich desorientiert.
    Nicht mehr deprimiert wie zuvor, aber aufgeregt, ruhelos, ohne Frieden. Ich versuchte, mir ›Und die Erde dreht sich‹ anzuschauen, konnte mich aber nicht konzentrieren. Jetzt regte mich der alberne Dialog auf. Ich nahm ein Buch, aber die Worte verschwammen mir vor den Augen. Ich trank einen Schluck Orangensaft, und er hinterließ einen schlechten Geschmack im Mund und einen stechenden Schmerz im Hals.
    Ich trat hinaus auf den Patio und schaute hinauf zum Himmel, bis leuchtende Kreise vor meinen Augen tanzten. Meine Haut

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