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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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der einen Hand über seinen Skalp mit den vielen Leberflecken. »Haben Sie keine Brille oder so etwas Ähnliches, junger Mann?«
    »Tut mir leid, aber meine Augen sind noch recht gesund.« Er drehte mir den Rücken zu und ging zu einem der Bücherregale. Seine Bewegungen hatten eine reptilhafte Grazie und Geschmeidigkeit, der verkrümmte Körper schien sich seitwärts zu bewegen und kam dennoch voran. Jetzt kletterte er vorsichtig auf einen Schemel, langte nach oben und nahm ein ledergebundenes Buch heraus, kletterte wieder herunter und kam zu uns zurück. »Schauen Sie«, sagte er und schlug das Buch auf, das, wie ich jetzt erkannte, ein Loseblatt-Hefter war und eine Kollektion von Comic-Heften enthielt. »Den da hab’ ich gemeint.« Er zeigte mit dem Finger auf eine Zeichnung des Starreporters vom Daily Planet, wie er gerade eine Telefonzelle betritt. »Das ist Clark Kent. Das ist ein Reporter.«
    »Ich bin sicher, Mr. Roberts weiß, wer Clark Kent ist, Professor.«
    »Dann soll er wiederkommen, wenn er ihm ähnlich sieht - vielleicht rede ich dann mit ihm«, erwiderte der alte Mann schnippisch.
    Margaret und ich tauschten hilflose Blicke. Sie wollte etwas sagen, und van der Graaf warf wieder den Kopf in den Nacken und stieß ein beißendes Lachen aus.
    »April, April!« Er lachte herzhaft über seinen eigenen Witz, und das Lachen endete in einem schleimigen Hustenanfall. »Ach, Professor!« schalt ihn Margaret.
    Sie gingen wieder aufeinander los und bekämpften sich verbal. Ich begann zu vermuten, daß es sich bei ihnen um eine gut entwickelte, enge Beziehung handelte. Und ich stand an der Seitenlinie und kam mir dabei vor wie ein unabsichtlicher Zuschauer bei einer Monstrositätenschau. »Geben Sie’s doch zu, meine Liebe«, sagte er. »Ich habe Sie hereingelegt.« Er stampfte vor Vergnügen mit den Füßen. »Sie haben wohl gedacht, ich bin schon total vertrottelt.«
    »Sie sind nicht vertrottelter als ich«, erwiderte sie. »Und Sie sind nichts weiter als ein ungezogener Lausejunge.« Meine Hoffnung, diesem geschrumpften Buckeligen brauchbare Informationen herauszulocken, schwand von Sekunde zu Sekunde. Ich räusperte mich.
    Sie hielten inne in ihrem Spiel und schauten mich an. Eine Speichelblase hatte sich in van der Graafs Mundwinkel gebildet. Seine Hände vibrierten wie bei einer leichten Schüttellähmung. Margaret baute sich vor ihm auf, die Arme in die Seiten gestemmt.
    »Ich möchte, daß Sie mit Mr. Roberts zusammenarbeiten«, sagte sie streng.
    Van der Graaf bedachte mich mit einem schmutzigen Blick. »Also gut«, jammerte er. »Aber nur, wenn Sie mich in meinem Duesy um den See kutschieren.«
    »Ich habe es versprochen.«
    »Ich habe einen siebenunddreißiger Duesenberg«, erklärte er mir. »Ein großartiges Gefährt. Vierhundert schnaubende Pferde unter einer funkelnden, roten Motorhaube. Blitzende Chromrohre. Schluckt Benzin mit gieriger Leidenschaft. Ich kann ihn nicht mehr fahren. Aber Maggie hier ist ein großes, kräftiges Frauenzimmer. Unter meiner Anleitung wird sie mit ihm fertig. Doch sie weigert sich.«
    »Professor van der Graaf, es gibt einen Grund, weshalb ich Ihnen den Wunsch versagt habe. Es hat geregnet, und ich wollte mich bei solch einem gefährlichen Wetter nicht ans Lenkrad eines Wagens setzen, der gut und gern zweihunderttausend Dollar wert ist.«
    »Quark. Ich bin mit dem Baby vierundvierzig von hier bis nach Sonoma gefahren. Es blüht geradezu auf bei widrigen Witterungsverhältnissen.«
    »Na schön, ich fahre. Morgen, wenn mir Mr. Roberts sagt, daß Sie sich einigermaßen ordentlich betragen haben.«
    »Ich bin der Professor. Ich gebe die Zensuren.« Sie ging nicht darauf ein.
    »Ich muß jetzt in die Bibliothek, Mr. Roberts. Finden Sie den Weg zurück in mein Büro?«
    »Sicher.«
    »Dann sehen wir uns, wenn Sie hier fertig sind. Leben sie wohl, Professor.«
    »Also morgen um eins. Bei jedem Wetter«, rief er ihr hinterher.
    Als sich die Tür geschlossen hatte, forderte er mich auf, Platz zu nehmen.
    »Ich selbst bleibe stehen. Wissen Sie, ich finde keinen Stuhl, der mir paßt. Als ich ein Junge war, hat Vater alle möglichen Zimmerleute und Möbeltischler zu sich geholt, damit sie sich etwas ausdenken, worauf ich einigermaßen bequem sitzen kann. Aber ohne Ergebnis. Immerhin sind dabei ein paar faszinierende, abstrakte Skulpturen entstanden.« Er lachte und hielt sich dabei am Schragentisch fest. »Ich habe fast mein ganzes Leben lang gestanden. Zuletzt hat es mir doch

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