Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman

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überrascht mich nicht. Es gibt verschiedene Arten von Erfolg. Die eine erfordert eine Kombination persönlicher Eigenschaft, über die Willie in der Tat verfügen konnte: Hartnäckigkeit, Phantasielosigkeit und angeborene, konservative Geisteshaltung. Natürlich, ein guter, gerade gewachsener Körper und ein im üblichen Sinne hübsches Gesicht kann dabei nicht schaden. Aber ich wette, er ist die Erfolgsleiter nicht emporgeklettert, weil er ein zutiefst wissenschaftlicher Denker oder einfallsreicher Forscher ist. Seine Stärken sind von einer diesseitigeren Natur, nicht wahr?«
    »Er hat einen Ruf als ausgezeichneter Arzt«, beharrte ich. »Seine Patienten können nur Gutes über ihn berichten.«
    »Er sagt ihnen natürlich genau das, was sie hören wollen. Das hat unser Willie immer schon gekonnt. Sehr beliebt, Präsident bei diesem und Vorsitzender bei jenem. Bei mir hat er einmal an einem Kurs über die Geschichte der Kultur Europas teilgenommen, und er war ein echter Charmeur. Ja, Professor, nein Professor. Immer da, um mir den Stuhl zurechtzurücken - mein Gott, wie ich das gehaßt habe! Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß ich ohnehin fast nie sitze.« Er schnitt eine Grimasse, während er sich erinnerte. »Ja, er verfügte über einen gewissen, banalen Charme. Und das ist es, was die Patienten an einem Arzt lieben. Ich glaube, man nennt es Krankenbett-Manieren. Natürlich waren seine Prüfungsarbeiten verräterisch; sie enthüllten seine wahre Substanz. Berechenbar, genau, aber alles andere als erleuchtet, grammatikalisch richtig, ohne literarisch zu sein.« Er ließ eine kurze Pause entstehen. »Das ist nicht die Information, die Sie sich erwartet haben, wie?«
    Ich lächelte. »Nicht ganz.«
    »So etwas können Sie nicht drucken, oder?« Er schien enttäuscht zu sein.
    »Nein. Ich nehme an, der Artikel soll positiv sein.«
    »Gesunder und munterer Blabla-Stoff- um es klar und deutlich auszudrücken, oder, mit anderen Worten: Bockmist, nicht wahr? Aber wie langweilig! Geht es Ihnen nicht auf die Nerven, ein solches Gewäsch heruntersabbern zu müssen?«
    »Manchmal. Aber es bezahlt meine Rechnungen.«
    »Ja. Wie arrogant von mir, nicht daran zu denken. Ich habe nie Rechnungen bezahlen müssen. Das haben meine Bankiers für mich erledigt. Ich hatte immer viel mehr Geld zur Verfügung, als ich verbrauchen konnte. Ich wußte nicht einmal, was ich damit hätte tun sollen. So etwas führt zu einer unglaublichen Ignoranz. Ein typischer Fehler der faulen Reichen. Wir sind unglaublich ignorant. Und durch Inzucht degeneriert. Der Reichtum bringt psychologische und physiologische Verirrungen mit sich.« Er lächelte, langte mit seiner Hand nach hinten und berührte den Höcker. »Dieses ganze College ist ein Hafen für die Sprößlinge der faulen, ignoranten, ungebildeten Reichen. Das schließt auch Doktor Willie Towle ein. Er stammt aus einer der feinsten Familien, die man sich denken kann. Haben Sie das gewußt?«
    »Als Sohn eines Doktors?«
    »Nein, nein.« Er widersprach mir, als wenn ich ein besonders blöder Schüler wäre. »Er ist einer von den Zweihundert - haben Sie nie von denen gehört?«
    »Nein.«
    »Dann gehen Sie an die unterste Schublade meines Schreibtischs und nehmen Sie die alte Landkarte mit der Umgebung von Seattle heraus.
    Ich folgte seiner Anweisung. Die Karte lag zusammengefaltet unter mehreren älteren Ausgaben des Playboy-Magazins.
    »Geben Sie schon her«, sagte er ungeduldig. Er faltete die Karte auf und breitete sie auf dem Tisch aus. »Schauen Sie.« Ich stand hinter ihm. Sein Finger zeigte auf eine Stelle am nördlichen Ende des Puget-Sounds, auf eine Insel, die die Form eines Diamanten hatte.
    »Brindamoor Island. Drei Quadratmeilen eines von Natur aus wenig ansprechenden Gebiets, auf dem zweihundert Herrenhäuser und Besitztümer stehen, die es mit jedem in den Vereinigten Staaten aufnehmen können. Josiah Jedson hat sein erstes Haus dort gebaut- ein gotisches Monstrum-, und andere seiner Sorte haben ihn nachgeäfft. Ich habe Vettern, die dort residieren- wir sind ja alle irgendwie miteinander verwandt, aber Vater hat unser Heim auf dem Festland errichtet, in Windermere.«
    »Die Insel ist kaum zu erkennen.« Sie war tatsächlich ein winziger Punkt im Pazifik. »Und genau das ist Absicht, mein Junge. Auf vielen älteren Landkarten ist die Insel nicht einmal verzeichnet. Natürlich gibt es keinen Zugang vom Land. Die Fähre verkehrt zwar täglich zweimal vom Hafen aus, wenn Wetter