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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Vermutlich irgendeine Verfehlung. Und angesichts seiner Familie muß es eine schwerwiegende Sache gewesen sein. Etwas, das das College veranlaßte, ihn loszuwerden.« Sie blickte zu mir auf. »Es wird immer interessanter, nicht wahr?«
    »Sehr.«
    Sie steckte die Karteikarten wieder in den Umschlag und versperrte ihn in ihrem Schreibtisch. »Jetzt bringe ich Sie zu van der Graaf.«

22
    Ein goldener Käfig von Lift brachte uns in den fünften Stock eines Kuppelbaus auf der Westseite des Geländes. Dort angekommen, klappte er seine Kiefer auf und entließ uns in eine stille Rotunde, die in Brusthöhe mit Marmor verkleidet und von Staub bedeckt war. Die Decke war konkav gewölbt und mit einem inzwischen verblaßten Fresko bemalt, auf dem hörnerblasende Cherubim zu sehen waren: Wir befanden uns im Inneren der Kuppel. Die Wände waren aus Stein,und es roch nach verrottetem Papier. Eine Wand aus undurchsichtigem Hagelglas trennte zwei Eichenholztüren. Auf der einen stand KARTENRAUM, und es sah aus, als ob sie seit Generationen nicht mehr geöffnet worden wäre. Die andere wies keine Inschrift auf.
    Margaret klopfte an die unbeschriftete Tür, und als keine Reaktion erfolgte, stieß sie sie auf. Der Raum dahinter war hoch und weit, mit Kathedralenfenstern, durch die man hinunterschauen konnte auf den Hafen. Die Wände waren mit Bücherregalen gepflastert; in jeden freien Quadratzentimeter der Regale waren Bücher in wildem Durcheinander hineingepfercht worden. Die Bücher, die in den Regalen keinen Platz mehr hatten, standen in raffiniert ausbalanzierten Stapeln auf dem Boden. In der Mitte des Raums gab es einen Tapezierertisch, der mit Manuskripten und weiteren Bücherstapeln bedeckt war. Ein Globus auf einem Rollgestell und ein altertümlicher Schreibtisch mit Klauenfüßen standen in der einen Ecke. Und mitten auf dem Schreibtisch waren eine Mitnehmbox von McDonald’s und zwei fettige, zerknüllte Servietten zu sehen.
    »Professor?« fragte Margaret. Und zu mir: »Möchte wissen, wohin er verschwunden ist.«
    »Kuckuck!« Das Geräusch kam von einer Stelle hinter dem Tapezierertisch.
    Margaret fuhr zusammen, und die Handtasche fiel ihr aus den Fingern. Ihr Inhalt breitete sich auf dem Boden aus. »Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, meine Liebe.« Jetzt wurde der Kopf sichtbar; er hatte ihn in stummem Lachen in den Nacken geworfen.
    »Professor«, sagte Margaret. »Sie sollten sich was schämen.« Dann bückte sie sich, um die Tasche wieder einzuräumen. Er kam hinter dem Tisch hervor und grinste verschmitzt. Bis zu diesem Augenblick hatte ich gedacht, er säße. Aber als der Kopf sich bei meinem Anblick nicht weiter hob, merkte ich, daß er bereits stand.
    Er war höchstens einsdreißig groß. Sein Körper war von normaler Größe, aber in der Taille verkrümmt, wobei das Rückgrat ein S bildete und einen Buckel entstehen ließ, der so groß wie ein fest gepackter Rucksack war. Der Kopf schien zu groß zu sein für die Gestalt: ein faltiges Ei, gekrönt von einem dünnen, weißen Haarkranz. Wenn er sich bewegte, erinnerte er an einen schläfrigen Skorpion.
    Er zeigte einen Ausdruck gespielter Reue, doch das Zwinkern der wäßrigen, blauen Augen sagte viel mehr als der nach unten gezogene, lippenlose Mund.
    »Kann ich Ihnen helfen, meine Liebe?« Seine Stimme war trocken und kultiviert.
    Margaret sammelte die letzten persönlichen Dinge vom Teppich auf und steckte sie wieder in ihre Handtasche. »Nein, danke, Professor. Ich hab’ schon alles.« Sie atmete tief durch und versuchte, die Fassung wiederzugewinnen. »Sind Sie immer noch bereit, mit mir zu unserem Pizza-Picknick zu gehen?«
    »Nur, wenn Sie sich benehmen.« Er legte die Hände zusammen wie im Gebet. »Ich verspreche es hoch und heilig, Liebste«, sagte er. »Na schön. Professor, das ist Bill Roberts, der Journalist, von dem ich Ihnen erzählt habe. Bill, Professor Garth van der Graaf.«
    »Hallo, Professor!«
    Er schaute unter schläfrigen Lidern zu mir empor. »Sie sehen aber nicht wie Clark Kent aus«, sagte er. »Wie bitte?«
    »Sehen nicht alle Zeitungsreporter wie Clark Kent aus?«
    »Diese Gewerkschaftsvorschrift kenne ich noch nicht.«
    »Ich bin einmal von einem Reporter interviewt worden - nach dem Krieg. Ich meine, nach dem großen. Nummer zwei - verzeihen Sie die Erwähnung des Obszönen an sich. Er wollte wissen, welchen Rang dieser Krieg in der Geschichte einnehme. Und er hat wirklich wie Clark Kent ausgesehen.« Er strich sich mit

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