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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sagen, wann sie angefangen hat, mit ihm zu schlafen. Sie hat nicht mit mir über solche Dinge gesprochen.«
    Ich konnte mir durchaus vorstellen, daß die Sexualität für diese zwei Freundinnen ein Tabu-Thema war. Bei ihrer Erziehung mußte es da eine Menge Konflikte geben. Und nach dem, was ich von Raquel gesehen und über Elena gehört hatte, war es fast sicher, daß sie diese Konflikte auf verschiedene Weise gelöst hatten: Die eine war das Partygirl geworden, die Frau für Männer; die andere, ebenso attraktiv, wenn auch auf andere Weise, sah sich in einem ständigen Kampf mit ihrer Umwelt. Ich schaute über den Tisch auf das dunkle, ernste Gesicht und wußte, daß ihr Bett mit Dornen besteckt war. »Hat sie Ihnen wenigstens gesagt, daß sie eine Affäre mit ihm hatte?«
    »Eine Affäre? Das klingt so leichtfertig und flüchtig. Er hat seine Berufsethik verletzt, und sie ist auf ihn geflogen.« Sie paffte an der Zigarette. »Sie hat eine Woche lang nur gekichert, erst dann hat sie es gewagt und mir erzählt, was er für ein wunderbarer Kerl sei. Ich habe zwei und zwei addiert. Einen Monat danach hat er sie zum erstenmal hier abgeholt. Von da an war es klar.«
    »Wie war er?«
    »Sie haben es selbst vorhin gesagt. Ein ekelhafter Kerl. Zu gut gekleidet: Samtjacken, maßgeschneiderte Hosen, Höhensonnenbräune, das Hemd aufgeknöpft, um viel Brusthaar zu zeigen - graues, lockiges Brusthaar. Er hat viel gelächelt und ist mir gegenüber allzu vertraulich gewesen. Hat mir die Hand geschüttelt und zu lange festgehalten. Und bei den Abschiedsküssen übertrieben - allerdings nicht, daß man ihn hätte festnageln können.« Das war fast wörtlich das gleiche, was Roy Longstreth gesagt hatte. »Glatt?«
    »Genau. Schlüpfrig glatt. Sie war schon öfter auf diesen Typ reingefallen. Ich konnte es nicht verstehen: Sie war so ein guter Mensch, so realistisch und vernünftig. Ich nehme an, es hing damit zusammen, daß sie ihren Vater schon so früh verloren hat. Sie hatte kein gutes Modell, nach dem sie sich die Männer aussuchen konnte. Klingt das plausibel?«
    »Klar.« Das Leben war nie so einfach wie in den Lehrbüchern der Psychiatrie, aber es war gut für die Menschen, wenn sie Lösungen fanden, die ihnen das eine oder andere erklärten. »Er hat einen schlechten Einfluß auf sie ausgeübt. Als sie anfing, mit ihm zu gehen, hat sie begonnen, sich das Haar zu bleichen, hat ihren Namen geändert und all diese Kleidung gekauft. Sie hat sich sogar einen neuen Wagen gekauft: einen Datsun Z - Turbo.«
    »Und wie konnte sie sich das leisten?« Der Wagen kostete mehr, als die meisten Lehrer in einem Jahr verdienten. »Wenn Sie glauben, er hätte ihn bezahlt, dann täuschen Sie sich. Sie hat ihn auf Raten gekauft. Das war auch etwas bei Elena: Sie konnte nicht mit Geld umgehen. Es glitt ihr einfach durch die Finger. Sie scherzte oft, daß sie einen reichen Mann heiraten müßte, der für ihren teuren Geschmack aufkommen könne.«
    »Wie oft haben sie sich getroffen?«
    »Zuerst einmal oder zweimal die Woche. Aber zuletzt hätte sie ebenso gut gleich zu ihm ziehen können. Ich hab’ sie kaum noch gesehen. Sie ist nur vorbeigekommen, um sich das eine oder andere zu holen und um mich einzuladen, daß ich mit ihnen ausging.«
    »Haben Sie die Einladungen angenommen?« Sie wunderte sich über die Frage.
    »Soll das ein Scherz sein? Ich sagte es doch schon, ich konnte es nicht ertragen, in seiner Nähe zu sein. Außerdem hatte ich mein eigenes Leben. Ich hatte es nicht nötig, das dritte Rad am Wagen zu spielen.«
    Ein Leben mit Korrekturen bis zehn Uhr abends, wie ich vermutete, und dann früh zu Bett, das Nachthemd bis oben zugeknöpft, mit einem Schauerroman und einer Tasse heißem Kakao auf dem Nachttisch.
    »Hatten sie Freunde, andere Paare, mit denen sie sich trafen?«
    »Keine Ahnung. Wissen Sie, ich versuche Ihnen das schon die ganze Zeit klarzumachen: Ich hab’ mich da rausgehalten.« In ihrer Stimme war jetzt wieder ein schärferer Ton zu vernehmen, und ich machte einen Rückzieher.
    »Sie fing an als seine Patientin. Wissen Sie, warum sie überhaupt zu einem Psychiater gegangen ist?«
    »Sie hat gesagt, daß sie Depressionen hat.«
    »Aber Sie glaubten es nicht?«
    »Es ist bei manchen Leuten schwer zu sagen. Wenn ich Depressionen bekomme, merkt das jeder. Ich ziehe mich zurück, will mit niemandem etwas zu tun haben. Es kommt mir so vor, als ob ich schrumpfe, mich in mich selbst verkrieche. Bei Elena - wer weiß? Es war

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