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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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als freiwilliger Helfer fungierte.
    Mit anderen Worten: Es war an der Zeit, mehr über La Casa de los Ninos zu erfahren.
    Ich fuhr heim und suchte in den Kartons, die ich seit meinem Aussteigen aus dem Berufsleben in der Garage deponiert hatte, bis ich mein altes Büro-Adressenverzeichnis fand. Ich fand auch Olivia Brickermans Nummer beim Sozialamt und wählte sie. Als Sozialarbeiterin mit einer mehr als dreißigjährigen Erfahrung wußte Olivia besser über derartige Einrichtungen Bescheid als jeder andere in der Stadt.
    Ich erreichte eine automatische Durchsage, die mir mitteilte, daß sich die Nummer des Sozialamts geändert hatte. Ich wählte die neue Nummer, und eine weitere automatische Durchsage teilte mir mit, daß ich warten sollte. Ein Band von Barry Manilow war zu hören. Ich fragte mich, ob ihm die Stadt Los Angeles dafür Tantiemen bezahlte. Musik, nicht zum Träumen, sondern zum Warten auf den Sozialhelfer.
    »Sozialamt Los Angeles.«
    »Mrs. Brickerman, bitte.«
    »Einen Moment, Sir.« Wieder zwei Minuten Manilow. Dann: »Mrs. Brickerman arbeitet nicht mehr bei uns.«
    »Können Sic mir bitte sagen, wie ich sie erreiche?«
    »Einen Moment.« Ich wurde wieder einmal informiert, wer die Musik schrieb, die die ganze Welt zum Singen brachte. Schließlich: »Mrs. Brickerman ist jetzt bei der psychiatrischmedizinischen Arbeitergruppe Santa Monica.« Also hatte Olivia schließlich doch noch die Öffentlichkeitsarbeit an den Nagel gehängt. »Haben Sie die Nummer?«
    »Einen Moment, Sir.«
    »Schon gut - und vielen Dank.« Ich legte auf und schaute in den gelben Seiten unter ›Psychotherapeutischer Beratungsdienst‹ nach. Die Nummer gehörte zu einer Adresse am Broadway, wo Santa Monica an Venice grenzt, nicht weit von Robins Studio entfernt. Ich rief dort an. »P. M. A. Santa Monica.«
    »Mrs. Olivia Brickerman, bitte.«
    »Wen darf ich melden?«
    »Doktor Delaware.«
    »Einen Moment.« Die Leitung war stumm. Anscheinend verwendete man bei der P. M. A. S. M. noch keine Musikschleifen für die Wartezeit. »Alex! Wie geht es dir?«
    »Fein, Olivia. Und dir?«
    »Wundervoll, wundervoll. Ich dachte, du wärst irgendwo im Himalaya.«
    »Warum das?«
    »Weil die Leute dorthin gehen, wenn sie zu sich selbst finden wollen. Irgendwo an einen kalten Ort ohne Sauerstoff, mit einem kleinen, alten Rauschebart-Guru, der auf einer Bergspitze sitzt, sich von Zweigen und Wurzeln ernährt und das People-Magazin liest.«
    »Das war in den sechziger Jahren, Olivia. In den achtzigern bleibt man zu Hause und legt sich in eine Wanne mit sprudelndem, heißem Wasser.«
    »Ach!«
    »Was macht Al?«
    »Er ist so extrovertiert wie eh und je. Heute morgen saß er über das Brett gebeugt da und murmelte etwas über die pakistanische Verteidigung oder eine ähnliche naarischkeit.« Ihr Mann, Albert D. Brickerman, war der Redakteur der Schachecke bei der Los Angeles Times. In den fünf Jahren, seit ich ihn kannte, hatte ich ihn nicht mehr als ein Dutzend Wörter nacheinander sagen hören. Es war schwer vorstellbar, was er und Olivia, Miss Geselligkeit von 1930 bis in die Mitte der 80er Jahre, für Gemeinsamkeiten hatten. Aber sie waren immerhin siebenunddreißig Jahre verheiratet, hatten vier Kinder großgezogen und schienen miteinander zufrieden zu sein. »Also hast du doch noch beim Sozialamt gekündigt!«
    »Ja, kaum zu glauben, was? Aber sogar lästige Kletten kann man noch verpflanzen.« s »Was hat dich zu einer so impulsiven Entscheidung getrieben?«
    »Weißt du, Alex, eigentlich wollte ich ja bleiben. Sicher, das System stank zum Himmel- aber welches System tut das nicht? Außerdem hatte ich mich daran gewöhnt wie an eine Warze. Ich glaube, ich habe dennoch gute Arbeit geleistet, wenn die Geschichten auch immer trauriger und bösartiger geworden sind. So viel Elend, weißt du. Und bei den Kürzungen im Budget bekamen die Leute immer weniger und wurden immer wütender. Sie haben es an den Sachbearbeitern ausgelassen. Ein Mädchen ist buchstäblich an seinem Schreibtisch im Zentralbüro erstochen worden. Seitdem haben wir in jedem Büro einen bewaffneten Wachmann gehabt. Aber was soll’s, schließlich bin ich in New York aufgewachsen. Doch dann hat mein Neffe, Steve, der Junge meiner Schwester, nach dem Medizinstudium beschlossen, Psychiater zu werden- kannst du dir das vorstellen? Noch einer in der Familie, der sich mit der geistigen Gesundheit dieses Landes beschäftigt! Sein Vater ist Chirurg, vermutlich hat Stevie sich auf

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