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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ihre Maske ein wenig, und darunter wurde etwas von der wirklichen Frau sichtbar.
    »Ich wollte, ich könnte es mir leisten. Ich meine, mich in den Ruhestand versetzen zu lassen.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen. Es ist sicher wahnsinnig schwierig, mit dieser Art von Bürokratie fertigwerden zu müssen.« Damit hatte ich den Köder des Mitgefühls ausgeworfen. Die Schulverwaltung war Gegenstand des Zorns für jeden Lehrer. Wenn sie darauf nicht einging, wußte ich nicht, was ich noch anstellen mußte, um zu ihr durchzudringen. Sie schaute mich argwöhnisch an und suchte nach einem Beweis dafür, daß ich ihr schmeichelte. »Sie arbeiten überhaupt nicht?« fragte sie. »Ich investiere - rein freiberuflich. Das hält mich auf Trab.« Wir plauderten eine Weile über die Mängel und die Nachteile des heutigen Schulsystems. Sie umging alles Persönliche und blieb im Bereich der populären Soziologie: wie schlimm alles wurde, wenn die Eltern nicht mehr bereit waren, sich mit ihren Kindern emotionell und intellektuell zu beschäftigen; wie schwierig der Beruf des Lehrers war, wenn die Hälfte der Kinder aus zerbrochenen Ehen kamen und so verhaltensgestört waren, daß sie sich kaum konzentrieren konnten, wie frustrierend die Arbeit mit Verwaltungsbeamten, deren einziges Interesse darin lag, einigermaßen über die Runden zu kommen bis zur Pensionierung, und wie erniedrigend die Tatsache, daß das Gehalt der Lehrer geringer war als das der Hilfsarbeiter bei der Müllabfuhr. Sie war neunundzwanzig und hatte den letzten Funken von jedem Idealismus verloren, welcher noch die Umstellung vom barrio auf die Welt der angloamerikanischen Bourgeoisie in West Los Angeles überlebt hatte. Wenn man sie zum Reden brachte, wirkte sie sehr überzeugend mit ihren dunklen, blitzenden Augen und den gestikulierenden Händen, die wie zwei braune Sperlinge durch die Luft flatterten.«
    Ich saß da wie einer ihrer Lieblingsschüler, hörte zu und gab ihr das, was jeder Mensch haben will, wenn er dabei ist, sein Herz auszuschütten: Verständnis und eine Geste des Mitgefühls. Ein Teil davon war zweifellos kalkuliert- schließlich wollte ich zu ihr durchdringen, um etwas mehr über Elena Gutierrez herauszufinden-, aber ein Teil war auch mein altes Ich als Therapeut, das da plötzlich unter den Trümmern hervorlugte.
    Ich dachte schon, ich hätte mein Ziel erreicht, als die Glocke ertönte. Jetzt war sie wieder ganz Lehrerin, ein Schiedsrichter über Gut und Böse.
    »Sie müssen gehen. Die Kinder sind gleich hier.«
    Ich stand auf und lehnte mich an den Schreibtisch.
    »Können wir später miteinander sprechen? Über Elena?«
    Sie zögerte, biß sich auf die Unterlippe. Das Geräusch der Kinder war wie ein fernes Grollen, das allmählich näherkam.
    Hohe Stimmen mischten sich in das Getrappel.
    »Also gut. Um halb drei habe ich Schluß.«
    Eine Einladung zu einem Drink wäre sicherlich ein Fehler gewesen. Beschränke dich auf die berufliche Ebene, Alex.
    »Danke. Ich hole Sie am Tor ab.«
    »Nein, lieber auf dem Parkplatz der Lehrer. Auf der Südseite des Gebäudes.« Dort, wo es keine neugierigen Augen gab.
     
    Ihr Wagen war ein staubiger, weißer Vega. Sie ging darauf zu und hatte einen Stapel Bücher und Papiere bei sich, der ihr bis unters Knie reichte. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Sie reichte mir ihre Last, die mindestens zwanzig Pfund wog, und brauchte eine Weile, um ihre Schlüssel zu finden. Ich sah, daß sie etwas Make-up aufgelegt hatte, Lidschatten, welche die dunkle Tiefe ihrer Augen noch betonte. Sie sah jetzt wie achtzehn aus.
    »Ich habe noch nicht gegessen«, sagte sie. Es war weniger der Wink mit dem Zaunpfahl als eine Klage. »Keine braune Tüte?«
    »Ich hab’ es mir abgewöhnt. Wissen Sie, ich selbst mache mir nie besonders nette Sachen zurecht. Und an einem Tag wie heute kann ich es auch gar nicht mitnehmen - viel zu heiß.
    Drüben am Wilshire gibt es ein Steakhaus.«
    »Kann ich Sie hinfahren?«
    Sie warfeinen Blick auf ihren Vega.
    »Sicher, warum nicht? Ich hab’ sowieso nicht mehr viel Benzin. Werfen Sie das bitte auf den rechten Vordersitz.« Ich legte die Bücher und Papiere hinein, und sie schloß den Wagen wieder ab. »Aber ich will selbst für mein Essen bezahlen.« Wir verließen den Parkplatz der Schule, und ich führte sie zu meinem Seville. Als sie ihn sah, zog sie die Augenbrauen hoch. »Sie scheinen Ihr Geld gut zu investieren.«
    »Manchmal habe ich Glück.«
    Sie ließ sich in die weichen Lederpolster

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