Blackout - Kein Entrinnen
wahrscheinlich auch. Kathleen auf jeden Fall. Niemand, der dem Seuchenschutz treu ergeben war, wäre ruhig danebengestanden und hätte das Zeitfenster für ein ungestörtes Gespräch heruntergezählt. Es sei denn, sie war eine Doppelagentin, die man in den EIS eingeschleust hatte, und diese Vorstellung war mir ein bisschen zu viel James Bond, um sie ernst zu nehmen. Denn selbst wenn es tatsächlich so war, konnte ich nichts dagegen tun. Die Seuchenschutzbehörde war unterwandert worden. Objektiv betrachtet war der EIS zwar nicht auf der Seite der Guten, aber wenn ich die Wahl hatte, schloss ich mich lieber dem Team an, das mir Schusswaffen gab und mir verriet, dass Shaun noch lebte.
Dr. Thomas und die Wachleute standen bereits im Labor, als ich hinter dem Schirm hervortrat. Bei meinem Anblick weiteten sich seine Augen erst. Dann kniff er sie zusammen. »Was haben Sie mit ihrem Haar gemacht?«, verlangte er zu wissen, indem er sich Dr. Shaw zuwandte.
Sie betrachtete ihn mit kühler, wenn auch offensichtlicher Belustigung und sagte: »Es war mir beim Anbringen der Elektroden im Weg. Und da für den restlichen Monat keine Untersuchungen angesetzt sind, die ungeschnittenes Haar erfordern, habe ich die Sache möglichst effizient erledigt. Stellt das ein Problem dar?«
»Nein, aber …« Dr. Thomas geriet ins Stocken, da er offensichtlich nicht wusste, wie er den Satz vollenden sollte. Schließlich sagte er mit fast schon mürrischer Miene: »Sie hätten es mit mir absprechen müssen, bevor Sie ihr die Haare abschnitten. Plötzliche Veränderungen ihrer Lebensumstände können in diesem Stadium ihrer Genesung eine Belastung darstellen.«
Dr. Shaws Lachen war überraschend hell und klar, als gehöre es einer jüngeren und weniger beherrschten Frau. »Ach, kommen Sie schon, Matthew. Sie erwarten doch nicht im Ernst von mir, dass ich einen Haarschnitt als plötzliche Veränderung ihrer Lebensumstände betrachte. Ich verstehe ja die Notwendigkeit, alle Variablen genau zu regulieren, während sie zu Kräften kommt, aber keine vernünftige junge Frau würde etwas derart Normales und medizinisch Notwendiges als Belastung empfinden.«
»Mir gefällt es«, mischte ich mich ein, bevor Dr. Thomas etwas entgegnen konnte. Er wandte sich mir mit einem Stirnrunzeln zu, während ich auf ihn zuging. »So ist es viel leichter zu kämmen. Ich habe mich noch nie gern mit langen Haaren abgegeben.«
»Vermutlich tröstet die Zweckmäßigkeit über den ästhetischen Verlust hinweg«, gab er steif zurück.
Ich runzelte die Stirn. Ich konnte mich nicht zurückhalten, und ehrlich gesagt wollte ich es auch nicht. »Ich trage mein Haar lieber in dieser Länge«, sagte ich. »Der einzige ›ästhetische Verlust‹ ist, dass meine Haare in der Dusche ausbleichen und ich nicht an eine Tönung herankomme. Wenn das noch lange so weitergeht, ende ich als Blondine, und in meinen Augen sieht das nicht gut aus.«
»Wir haben alle unsere Sorgen«, sagte Dr. Shaw. »Georgia, danke für Ihre Kooperationsbereitschaft heute. Sie haben uns unsere Arbeit leicht gemacht, und dafür bin ich Ihnen dankbar.«
»Keine Ursache, Dr. Shaw«, sagte ich. »Es war mir ein Vergnügen.«
»Wir müssen jetzt gehen, Georgia«, sagte Dr. Thomas. In seiner Stimme lag eine Härte, die ich sonst nur hörte, wenn ich ihn wegen irgendwelcher Annehmlichkeiten bedrängte, die er mir nicht zugestehen wollte. Mein neugieriger Blick schien ihn nur noch mehr zu verwirren. Er runzelte die Stirn und errötete. »Zeit zu gehen«, betonte er erneut.
»Na schön«, sagte ich und bemühte mich um eine ungerührte Miene, während ich ihm hinausfolgte. Er hatte mir keine Handschellen angelegt, und mit jedem Schritt fiel es mir schwerer, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Ich war mir so sicher gewesen, dass ich die Pistole zurück in mein Zimmer schmuggeln konnte, ohne geschnappt zu werden, und nun … nun …
Ich gelangte bis in den Korridor, ohne dass die Wachleute auch nur mit der Wimper zuckten. Ich hatte es geschafft. Zwar nicht für immer – womöglich würde ich es noch nicht einmal bis zum nächsten Tag schaffen –, aber immerhin. Ich besaß eine Waffe und ging ohne Fesseln durch die Korridore der Seuchenschutzbehörde. Einen kurzen, berauschenden Moment lang malte ich mir aus, das Feuer zu eröffnen und loszurennen, auf den nächsten Ausgang zu, ohne auch nur einmal zurückzuschauen. Es hätte niemals geklappt. Und es wäre undankbar gegenüber Dr. Shaw und Gregory
Weitere Kostenlose Bücher