Blackout - Kein Entrinnen
Doch ich war ziemlich sicher, dass sie nicht die Erste war, die es getan hatte. Die Möglichkeit, ein geklontes Gehirn zu erforschen, das funktionierte und Reaktionen zeigte, musste für die Ärzte unwiderstehlich gewesen sein. Denn obwohl ich mir inbrünstig wünschte, es wäre nicht so, wusste ich doch, dass mein Hirn genauso geklont war wie der Rest von mir. Alles andere wäre unlogisch gewesen. Als das Virus in meiner ursprünglichen Blutbahn aktiv geworden war, hatte es das Gehirn mit einer Vehemenz angegriffen, die keinem anderen in der Natur vorkommenden Krankheitserreger eigen war. Als ich meinen letzten Blogeintrag tippte, hatte ich förmlich spüren können, wie meine Erinnerungen wegbröckelten. Hätten sie mein altes Hirn in meinen sauberen Klonkörper gesteckt, hätten sich die Viren auf der Stelle vermehrt, und all ihre Arbeit wäre umsonst gewesen.
Ich betrachtete die farbigen Linien auf dem Monitor, die meine Hirnaktivität anzeigten und in sich überkreuzenden Zacken über den Bildschirm liefen. Ich wurde aus keiner einzigen von ihnen schlau. Abgesehen von dem Erste-Hilfe-Kurs, den man für Recherchen im Feld benötigte, hatte ich mich nie mit Medizin beschäftigt. Mahir hätte die Höhen und Tiefen der Kurven vielleicht entschlüsseln und sie in verwertbare Informationen umwandeln können. Aber Mahir war nicht bei mir.
Einer der Assistenten versuchte, mir die Elektrode am Bizeps abzunehmen. Ich hob den Arm und spannte den Muskel an, damit er leichter daran ziehen konnte. Er sah mich erleichtert an. »Danke«, sagte er. »Dieses lebende Haftmittel ist manchmal ein bisschen störrisch.«
»Woraus besteht es?«, fragte ich, halb aus Neugierde, halb, um ihn zum Sprechen zu bringen. Man kann den Leuten leichter Informationen aus der Nase ziehen, wenn sie glauben, dass man sich für dieselben Dinge interessiert wie sie selbst.
»Schleimpilz«, sagte der Assistent. Und er schien sich darüber zu freuen.
»Oh«, sagte ich und war nicht in der Lage, meine Bestürzung zu verbergen. Andrerseits musste man mir schon ein bisschen Bestürzung zugestehen, schließlich war meine Haut zu fünfzehn Prozent von lebendem Schleim bedeckt. »Das ist ja mal … speziell. Was passiert damit, wenn Sie fertig sind?«
»Dann bestäuben wir den Pilz mit einem Pulver, wodurch er inaktiv wird. Und dann können wir ihn von Ihrer Haut abziehen«, sagte er. »Würden Sie den Arm bitte wieder entspannen?«
»Klar.« Ich ließ den Arm in seine ursprüngliche Position zurücksinken. Darauf setzte er die Elektrode in der Armbeuge an. »Das leuchtet ein. Keine Rückstände, kein Medikamentenabfall …«
»Der Pilz ist selbstreinigend, weshalb man ihn nach acht Stunden selbst dann noch gefahrlos wiederverwenden kann, wenn er durch Blut verschmutzt wurde. Zudem reagiert er auf das aktive Virus.«
»Wirklich?«, fragte ich blinzelnd. »Wie das?«
»Er versucht davonzufließen.«
Diesmal konnte ich einen Schauder nicht unterdrücken. An der Maschine, die mit den Elektroden verbunden war, gingen mehrere Signallämpchen an, und ich erntete von einigen der Techniker missbilligende Blicke. »Entschuldigung!«, sagte ich.
»George, bitte unterlassen Sie alles, was die Probandin zum Zappeln bringt«, sagte Dr. Shaw, ohne von dem Bildschirm aufzublicken, den sie gerade betrachtete.
George, der Assistent errötete. »Verzeihen Sie, Dr. Shaw.«
Ich wartete, bis er die Elektrode in meiner Armbeuge richtig platziert hatte, bevor ich fragte: »Dann sind Sie also auch ein George, was? Ihr ursprünglicher Name?«
»George R. Stewart«, gab er zurück. »Und ja, das R steht für Romero. Meine Eltern waren dankbar, nicht fantasievoll.«
»Bei mir ist es Georgia«, sagte ich. »Eine meiner besten Freundinnen war eine Georgette.«
»Georgette Meissonier, stimmt’s?« Als George meinen erstaunten Gesichtsausdruck bemerkte, wurde er wieder rot. »Ich, ähm, ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Arbeit. Ihr letzter Blogeintrag war … er war unglaublich. So etwas habe ich noch nie zuvor gelesen.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich mich geschmeichelt fühlen oder verlegen sein sollte. Am Ende erwiderte ich mit einer Mischung aus beiden Reaktionen: »Oh. Dann kennen Sie also die Stelle mit meinem Tod.«
»Die Toten wandeln schon ein Vierteljahrhundert lang.« Er kam auf meine andere Seite und rückte eine weitere Elektrode zurecht. Offenbar mussten sich die anderen Techniker gerade allesamt um die Gerätschaften kümmern, sodass George die
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