Blackout - Kein Entrinnen
etwas zu sagen, nicht weil ich ernstlich wollte, dass er meinen Gedanken bestätigte.
»So könnte man es ausdrücken«, sagte Gregory. Wir erreichten eine Biegung. Mit erhobener Hand gab er mir das Zeichen zum Stehenbleiben und ging erst einmal allein um die Ecke. »Die Luft ist rein. Kommen Sie.«
Das tat ich.
Wir bewegten uns auf eine weitere Tür mit bernsteinfarbenem Licht zu. Diese führte in einen weiteren, nicht ganz so leeren Korridor. An den Wänden hingen Whiteboards, auf denen der Speiseplan der Cafeteria und Wachrundgänge standen. Es hingen sogar ein paar Zettel da, auf denen Autos zum Verkauf angeboten wurden oder Leute nach Nachhilfeunterricht in Biochemie an der Highschool suchten. Hier wirkte alles viel echter als dort, wo ich aufgewacht war, viel menschlicher, sodass es mir beinahe in der Brust wehtat. Die Welt existierte also noch. Ich war gestorben und wieder zurückgekehrt, und in der Zwischenzeit war das Leben weitergegangen.
Gregory ging schneller und sagte: »Wir sind fast da. Wir haben für den Hin- und Rückweg je sechs Minuten eingerechnet, sodass uns am Ziel fünfzehn Minuten bleiben. Dann müssen Sie einen kühlen Kopf bewahren. Wenn Sie nicht kooperationsfähig sind, kann ich Sie schlecht durch die Gänge zurückschleifen.«
»Was soll das heißen?«, fragte ich und versuchte, so zu klingen, als würde sich mein Magen nicht vor lauter Angst zu einer kleinen harten Kugel verkrampfen.
»Das heißt, dass ich abhaue, wenn Sie die Nerven verlieren.« Er blieb freundlich, denn er wollte nicht grausam sein, sondern stellte einfach nur Tatsachen fest. Wenn ich mich nicht im Griff hatte, würde er mich im Stich lassen. Der Rest brauchte nicht ausgesprochen zu werden: Der EIS konnte es sich nicht leisten, seine Deckung auffliegen zu lassen, nur weil ich ausflippte. Falls er mich zurückließ, dann vermutlich nicht lebend.
»Ich verstehe.«
»Gut«, sagte er. Er blieb vor einer Tür stehen, auf der NUR FÜR AUTORISIERTES PERSONAL stand, und zog einen USB-Stick aus der Tasche. Er steckte ihn seitlich in die Bluttesteinheit, worauf diese zweimal piepte und das Licht über der Tür erlosch. Gregory legte die Hand auf den Türknauf, drehte ihn aber nicht um. Stattdessen sah er mich durchdringend an und sagte: »Sind Sie bereit?«
»Nein«, sagte ich. »Ich war ziemlich sicher noch nie für etwas bereit, das mit einer solchen Frage eingeleitet werden musste. Jetzt öffnen Sie schon die Tür.«
Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. »Genau das wollte ich hören«, sagte er und machte die Tür auf. Vor mir erkannte ich ein dunkles Labor. Das hintere Drittel des Raumes lag in schwachem blauem Dämmerlicht. Ich sah Gregory mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Es ist in Ordnung«, sagte er. »Gehen Sie hinein.«
»Klingt ungemein einladend«, sagte ich und überquerte die Schwelle. Sogleich sprangen die Deckenlichter an, erst schwach und dann immer heller, bis der Raum normal beleuchtet war. Ich war sehr dankbar für diese kleine Gefälligkeit. Auch wenn ich nicht mehr so lichtempfindlich bin wie früher, macht es mir dennoch keinen Spaß, geblendet zu werden.
Gregory trat hinter mir ein und schloss die Tür. »Da sind wir«, sagte er.
»Was ist das hier genau?«, fragte ich und sah mich mit zusammengekniffenen Augen um. Es schien nach demselben Prinzip eingerichtet zu sein wie die anderen Labore, die ich in der Seuchenschutzbehörde gesehen hatte. Leere Wände, abwaschbare Linoleumböden und eine Menge Apparate, die mir nichts sagten. Mein Herz machte einen Sprung, als ich einen erblickte, mit dem ich etwas anfangen konnte: einen Computer.
Gregory folgte meinem Blick und verzog das Gesicht. Mit aufrichtigem Bedauern sagte er: »Ich darf Sie von hier aus nicht ins Internet lassen, Georgia. Das wäre sehr riskant.«
»Aber …«
»Wir sind nicht deshalb hergekommen.« Er nickte in Richtung des hinteren Teils des Raums. Im Lichtschein war das blaue Schimmern nicht mehr so deutlich sichtbar, aber es war immer noch da.
»Richtig«, murmelte ich und folgte seinem Wink. Auf den ersten Blick wirkte die Quelle des Schimmerns wie ein Aquarium mit einer bläulich leuchtenden Flüssigkeit. Mit einem Stirnrunzeln ging ich darauf zu, versuchte herauszufinden, was es war, und fragte mich, wieso es so bedeutungsvoll war, dass Gregory unser beider Leben aufs Spiel setzte, um mich hierherzubringen.
Tief in mir glaubte ich bereits zu wissen, was es war. Ich durfte mir dieses Wissen nur wenn
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