Blackout - Kein Entrinnen
möglich nicht bewusst machen, wenn ich irgendwie in der Lage sein wollte, den bevorstehenden Anblick zu verkraften. Doch vielleicht sage ich das jetzt nur in der Rückschau, um die Sache vor mir zu rechtfertigen. In Wahrheit weiß ich es nicht genau. Was ich sicher weiß, ist dies:
Die blaue Flüssigkeit war nicht vollkommen trübe. So wirkte sie nur aus einiger Entfernung. Je näher man ihr kam, desto klarer wurde sie, und als ich den Behälter erreicht hatte, erkannte ich darin eine menschliche Gestalt. Ich kniff die Augen zusammen, konnte jedoch nicht mehr Einzelheiten erkennen, als dass es sich um eine Frau handelte, die von einem Wirrwarr aus Kabeln umgeben war.
Gregory trat links neben mich, beugte sich vor und drückte eine Taste auf einer Schaltkonsole, die mir zuvor nicht aufgefallen war. Das Schimmern verstärkte sich, und die Flüssigkeit wurde durchsichtiger. Feine Stränge aus Blasen markierten die Stellen, wo Filter etwas aus der Flüssigkeit herauswuschen. Wenige Sekunden später sah ich die Gestalt, die in dem Becken schwamm.
Sie war nackt, Mitte zwanzig und befand sich in einer Art Embryohaltung, als hätte sie nie selbst das Gewicht ihrer Glieder oder ihres Kopfes tragen müssen. Ihr Haar war dunkelbraun und musste unbedingt gestutzt werden. Es war so lang, dass es von den Strömen der Flüssigkeit langsam herumgewirbelt wurde und sich um Hals und Arme der Frau schlang. An Armen und Beinen waren Elektroden befestigt, die mit dem Hauptkabel verbunden waren. Mund und Nase waren nicht bedeckt, und am Heben und Senken ihrer Brust erkannte ich, dass sie die Flüssigkeit atmete. Aus ihrem Unterbauch kam ein dickeres Kabel, das sie vermutlich mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgte. Ich starrte sie an und beobachtete das Zucken ihrer Finger und die Bewegungen ihrer Augen unter der dünnen Hautschicht ihrer geschlossenen Lider.
Gregory wartete ab und beobachtete mich bei meiner Betrachtung. Der Raum selbst schien seinen Atem anzuhalten, während wir beide gespannt darauf waren, was ich tun würde. Ob ich in der Lage wäre, das, was ich vor mir sah, zu betrachten, ohne dabei überzuschnappen. Für einen Moment wusste ich selbst die Antwort nicht.
Doch der Moment verging. Ich holte zitternd Luft, dann noch einmal, und fragte: »Wie viele von uns gibt es?«
»Derzeit sind es drei.« Gregory richtete den Blick auf den Behälter, in dem eine weitere Georgia Mason schwamm. Ihr Haar war nie gebleicht worden und noch immer so dunkelbraun, wie meines es hätte sein sollen. Ich spürte einen Anflug von Eifersucht. Sie sah mir ähnlicher als ich selbst. »Dies ist Proband Nummer 8c. Der letzte Überlebende aus der Probandengruppe, die auf Ihre folgte.«
»Warten Sie mal – Probandengruppe?« Ich kehrte dem Becken den Rücken zu, da ich mir nicht mehr sicher war, ob ich beim Anblick meiner im Blauen schwebenden stummen Doppelgängerin die Nerven behalten würde. »Was hat das zu bedeuten?«
»Ihre Bezeichnung lautet Proband 7c. Proband 7a ist nicht richtig ausgereift; bei 7b kam es bei der Wiederbelebung zu einer plötzlichen Virenvermehrung.« Er deutete auf den Behälter. »Proband 8a wurde abgeschaltet, als ungefähr in diesem Stadium Probleme bei der Rückgratausbildung auftraten.«
»Und 8b?« Mir fiel auf, dass er die anderen Probandinnen nicht beim Namen nannte. Er benutzte noch nicht einmal die weibliche Form. Sie waren lediglich Dinge für ihn, zumindest bis zu dem Moment, wo sie aufwachten und zu Menschen wurden. Das war beruhigend, denn schließlich behandelte er mich als Mensch. Insofern unterschied ich mich von ihnen.
Aber eigentlich nicht.
»Proband 8b ist einer der Gründe, weshalb wir hier sind. Proband 8b ist eine Sicherungskopie, falls etwas schiefgeht.« Gregory sah mich besorgt an. »Sind Sie bereit, weiterzumachen?«
»Sie meinen, ob ich schreien, Dinge durch die Gegend schmeißen und kotzen möchte, mich aber noch eine Weile beherrschen kann? Ja und ja.« Ich schüttelte den Kopf. Dass ich dabei einen Luftzug am Ohr spürte, tröstete mich. Ich hatte zwar genauso angefangen wie das Mädchen dort im Becken, aber ich war nicht mehr wie sie. Ich war auf den Beinen und am Leben, ich hatte einen Haarschnitt bekommen. Man musste sich trösten, so gut es ging.
»In Ordnung«, sagte Gregory. »Folgen Sie mir.«
Er führte mich zu einem Metallrechteck an der hinteren Wand. Auch hier drückte er eine Taste, die sich auf der Schaltfläche daneben befand, und trat zurück, während von der
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