Blackout - Kein Entrinnen
Wand ein Summton erklang. Das Metallrechteck glitt langsam nach oben und gab den Raum auf der anderen Seite einer dicken Glasscheibe frei. Nach einem weiteren Tastendruck ging das Licht an.
Die Wände waren weiß und leer. Das Einzige, was noch an Möbel erinnerte, war ein schmales Krankenhausbett mit weißen Decken, um das Infusionsständer und piepende Geräte herumstanden. Breite schwarze Bänder fesselten die einzige Rauminsassin an die Matratze, damit sie nicht hinunterfiel. Im Gegensatz zu dem Mädchen in dem Behälter – und mir, als ich erwachte – war ihr Haar kurz geschoren, und zwar genau so, wie ich meines seit meinem zwölften Lebensjahr getragen hatte. Ich fasste mir unwillkürlich an die Haarstoppel in meinem Nacken und spürte, wie unregelmäßig sie waren. Dr. Shaw hatte sich zwar Mühe gegeben, aber sie war keine Friseurin.
»Das ist 8b?«, fragte ich. Meine Stimme klang schwächer, als mir lieb war. Ich schluckte trocken, um die Kehle von dem Kloß zu befreien, der sich in ihr gebildet hatte. »Was machen sie mit ihr?«
»Sie wird stabilisiert.« Gregory drückte einen dritten Schalter. Neben dem Fenster erschien eine Videoprojektion, sodass jene Hälfte des Zimmers nicht mehr zu sehen war. Der Film zeigte, wie 8b aus ihrem Behälter genommen und auf eine Krankenliege gelegt wurde. In der Aufnahme war ihr Haar lang und klebte ihr im Gesicht und an den Schultern. »Das wurde vor einer Woche aufgenommen.«
»Vor einer Woche. Aber das war, nachdem sie wussten, dass die Viren sich bei mir nicht vermehren würden. Da wussten sie bereits, dass ich existenzfähig bin.« Wie ein kleines bissiges Tier stieg Panik in mir auf. Mit aller Macht versuchte ich, sie zu unterdrücken, indem ich mehrere Male durch die Nase aus- und einatmete. Dann sagte ich: »Warum wird sie stabilisiert? Was haben sie mit ihr vor?«
Gregory berührte eine weitere Taste. Der Film brach ab und wurde von einem Bild des Klons ersetzt, sauber, angekleidet und trocken. Ihr Kopf wurde von zwei keilförmigen Kissen gestützt. Aus dem Off erklangen leise Stimmen, und ich machte fast einen Satz, als ich Dr. Thomas laut und deutlich sagen hörte: »Georgia, machen Sie die Augen auf.«
Und die 8b im Film schlug die Augen auf.
Bevor ich es zurückhalten konnte, entwich meinen Lippen ein kieksendes Stöhnen. Gregory legte mir eine Hand auf die Schulter, sagte aber nichts. Es gab nichts, was er hätte sagen können.
Sie hatte schwarze Augen, weil ihre Pupillen so geweitet waren, dass zwischen ihnen und der äußeren Augenhaut kein Farbkreis mehr zu sehen war. Haifischaugen, Zombieaugen … oder die Augen eines Menschen mit retinalem Kellis-Amberlee, der Reservoirkrankheit, mit der ich den Großteil meines Lebens zu kämpfen gehabt hatte. Mit diesen Augen sah sie mir ähnlicher, als ich es jemals tun würde. Wenn man jemandem ein Bild von mir zeigte, würde es wahrscheinlich heißen, dass ich einer Reporterin verdammt ähnlich sah, die während Rymans Wahlkampf ums Leben gekommen war. Wenn man jedoch jemandem ein Bild von ihr zeigen würde …
»Wie?«, krächzte ich.
»Sie wurde operativ verändert«, sagte Gregory und nahm die Hand wieder von meiner Schulter. »Sie konnten keine spezielle Reservoirkrankheit erzeugen. Als sie es versuchten, kam es entweder zu sofortiger Virenvermehrung oder es rief eine Reservoirkrankheit in einem anderen Körperteil hervor. Einen Klon mit anhaltendem retinalem Kellis-Amberlee in beiden Augen zu erhalten hätte womöglich Jahre gedauert.«
Ich sagte nichts.
»Sie mussten mehr Behandlungen durchführen, als ursprünglich geplant waren. Wie sich herausgestellt hat, verstehen wir die Veränderungen, die retinales Kellis-Amberlee in der Augenstruktur hervorruft, nicht so gut, wie wir dachten. Sobald sie die Iriden entfernt hatten, löste sich die Netzhaut ab. Deshalb hat man sie mit künstlichen Linsen ersetzt, und die Augen wurden stabilisiert.«
Und da bekannt war, dass ich an retinalem Kellis-Amberlee litt, würde niemand Alarm schlagen, wenn es bei einem Netzhautscan zu Abweichungen kam. Der operative Eingriff würde niemals ans Tageslicht kommen. »Clever«, sagte ich trocken, als wäre jedes Gefühl aus meiner Stimme herausgepresst worden. Das war eine ziemlich akkurate Beschreibung dessen, wie ich mich fühlte. Wieder schluckte ich und fragte: »Wie viel Zeit bleibt mir noch?«
Gregory sah mich durchdringend an. »Was meinen Sie damit?«
»Meine Augen haben sie nicht operiert. Die Augen von
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