BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
sich auf die Instrumente.
Mailand
»Tief ein- und ausatmen«, verlangte die Ärztin.
Kalt drückte das Stethoskop auf Manzanos Rücken.
»Ich sage Ihnen doch, es geht mir gut«, beteuerte er.
Die Ärztin, eine junge Frau, die gut in eine TV -Serie gepasst hätte, stellte sich vor ihn und leuchtete mit einer kleinen Stablampe in Manzanos Auge.
»Kopfschmerzen? Schwindel? Benommenheit?«
»Nein, nichts.«
Manzano saß mit nacktem Oberkörper auf einer Liege in einem winzigen Raum der Ambulanz des Ospedale Maggiore di Milano. Obwohl er nach einer Sekundenbewusstlosigkeit noch am Unfallort wieder aufgewacht war, hatten die Rettungssanitäter darauf bestanden, ihn mitzunehmen. Sein Wagen war ohnehin Schrott, um den würde sich erst einmal die Feuerwehr kümmern. Aber er musste daran denken, sich für nächste Woche einen Leihwagen zu besorgen, damit er seine Kundenbesuche machen konnte, schließlich konnten deren Computerprobleme nicht warten.
Auf der Fahrt mit Blaulicht hatte Manzano versucht, etwas über das Schicksal der zwei anderen Unfallopfer herauszufinden. Die Sanitäter wussten nichts oder wollten es nicht sagen. Sie hatten ihn an der Aufnahme der Klinik abgeliefert, wo er fast eine Stunde warten musste, bis er aufgerufen wurde.
»Mund auf.«
Manzano gehorchte, und die Ärztin inspizierte seinen Rachen. Was das bei einer kleinen Platzwunde am Kopf bringen sollte, blieb ihm ein Rätsel.
»Flicken Sie das da oben zusammen und lassen Sie mich nach Hause«, forderte er sie auf.
»Ist dort jemand, der sich um Sie kümmert?«
»War das ein Angebot?«
»War es nicht.«
»Schade eigentlich.«
»Stehen Sie auf.«
Manzano sprang von der Liege.
»Gehen Sie auf dieser Fuge im Boden einmal durch den Raum und zurück.«
Wieder so eine unsinnige Übung. Er war nicht betrunken. Außerdem brauchte er in dem Kämmerlein gerade einmal vier Schritte bis zur Wand. Er kehrte zu der Ärztin zurück, die zufrieden nickte und ihn bat, sich wieder zu setzen.
»Sind Sie sicher, dass Sie nicht dableiben wollen?«
»Wenn wir gemeinsam ein gutes Glas Wein trinken, bleibe ich natürlich gern. Andernfalls …«
»Das klingt sehr verlockend«, erwiderte sie mit einem kühlen Lächeln, »aber Alkohol benutzen wir hier nur zum Desinfizieren.«
»Unter diesen Umständen ziehe ich einen anständigen Barolo bei mir daheim vor. Röntgen können wir uns hoffentlich sparen.«
»Können wir«, erklärte sie und zog eine Spritze auf.
Als Manzano die Nadel sah, wurde ihm schlecht. Er bildete sich ein, kein ängstlicher Mensch zu sein, aber wenn es um medizinische Behandlungen ging, konnte er panisch werden wie ein Kind.
»Geröntgt wird momentan nur bei absoluten Notfällen«, erklärte sie. »Während des Stromausfalls laufen wir auf Notgeneratoren, da müssen wir sparsam mit unseren Kapazitäten umgehen. Ich gebe Ihnen eine lokale Betäubung, nähe die Wunde und lasse Sie gehen. Achtung, das piekst jetzt etwas.«
»Muss das sein?«, fragte er.
»Soll ich die Wunde ohne Betäubung nähen?«
Manzano klammerte sich an der Liege fest. »Hier ist auch der Strom ausgefallen?«, fragte er zur Ablenkung und richtete seinen Blick zu Boden, um der Ärztin nicht zusehen zu müssen. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
»In der ganzen Stadt, wie es scheint. Seit einer Stunde bekomme ich lauter Typen wie Sie rein, draußen warten noch mehr. Autounfälle, weil plötzlich Ampeln nicht mehr funktionieren, Menschen, die hingefallen sind, als die U-Bahnen abrupt stehen blieben. So, das war’s. Eine kleine Narbe wird wohl zurückbleiben, nichts Schlimmes. Macht einen Mann interessanter.«
Manzano entspannte sich wieder. »So interessant wie Frankensteins Monster.«
Diesmal huschte ein echtes Lächeln über ihr Gesicht. Manzano zog sein Hemd mit dem blutverschmierten Kragen wieder an, dann den Mantel, der an den Ärmeln ebenfalls etwas abbekommen hatte, bedankte sich bei der Ärztin und sah zu, dass er rauskam.
Vor dem Krankenhaus suchte er vergeblich nach einem Taxi. Er fragte den Mann hinter dem Informationsschalter, der bedauernd mit den Schultern zuckte.
»Wenn ich überhaupt durchkomme, kann ich Ihnen zwar eines bestellen, aber die Wartezeit beträgt im Moment mindestens eine Stunde. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind ausgefallen. Da haben die Taxis Hochbetrieb. Ist wie beim großen Ausfall 2003.«
Ganz Italien vierundzwanzig Stunden ohne Strom. Jeder Italiener erinnerte sich daran. Hoffentlich ging das hier schneller
Weitere Kostenlose Bücher