BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Vorhalle wurden Betten mit Patienten herumgefahren, von Menschen, die nicht wie Pflegerinnen oder Pfleger aussahen. Es herrschte ein großes Durcheinander, in dem Manzano doch eine allgemeine Bewegung Richtung Ausgang festzustellen meinte. Als er sich umdrehte, verließ schon wieder ein Bett das Haus.
Hartlandt schob ihn durch einen Flur, dessen Wände Betten säumten, in denen Kranke und Verletzte lagen. Manche stumm, andere stöhnten oder wimmerten. Bei einigen stand jemand, eher Angehörige als Ärzte. Hier war es ein wenig wärmer, aber sicher auch weit unter normaler Zimmertemperatur. Außer dem weiß gekleideten Mann draußen hatte Manzano noch keinen Arzt oder Pflegepersonal gesehen.
Endlich erreichten sie eine Tür mit dem Schild »Ambulanz«. Im Raum dahinter waren alle Stühle besetzt. Hartlandt zückte seinen Ausweis und zeigte ihn der Aufnahmeschwester.
»Schussverletzung«, erklärte er. Manzanos Deutsch war nicht besonders gut, aber ausreichend, um die Unterhaltung verfolgen zu können. Zwei Studiensemester in Berlin, ein Jahr mit einer deutschen Freundin und jahrelange – wenn auch nicht ganz legale – Besuche von Systemen deutscher Unternehmen machten sich bezahlt. »Wir brauchen sofort einen Arzt.«
Manzanos Magen sackte nach unten. Wieso sofort? Hartlandt hatte doch gesagt, es sei nicht schlimm?
Die Schwester blieb ungerührt.
»Sie sehen, was hier los ist. Ich sage den Leuten, dass wir sie nicht behandeln können. Das Krankenhaus müsste längst evakuiert werden. Glauben Sie, irgendjemand hört mir zu? Hören Sie mir zu?«
»Sie hören mir zu«, beharrte Hartlandt. »Ich will sofort einen Arzt sehen. Muss ich erst mit nationalem Interesse oder anderen Keulen kommen, damit Sie jemanden holen?«
Die Frau hob verzweifelt die Hände.
»Was soll ich denn machen? Jeder …«
»Sie sollen einen Arzt holen«, unterbrach Hartlandt sie. »Sonst tue ich es selbst.«
Sie seufzte und verschwand.
Im Aufnahmesaal warteten mindestens fünfzig Menschen. Eine Frau versuchte, ihr weinendes Kind zu beruhigen. Auf einem Stuhl war ein alter Mann gegen seine Frau gekippt, sein Gesicht kalkweiß, seine Lider flatterten. Sie flüsterte ihm unentwegt etwas zu, streichelte seine Wange. Eine andere lag mehr in ihrem Stuhl, als dass sie saß, den Kopf zurückgelehnt, die Haut wächsern, einen Arm auf Brusthöhe gehoben, sein Ende ein Stumpf aus weißer Gaze, unter der sich eine Hand befinden musste, blutgetränkt. Manzano zwang sich wegzusehen. Lieber starrte er an die Wand. Beruhigte seinen Magen aber auch nicht. Er schloss die Augen und versuchte, an etwas Schönes zu denken.
»Was soll das? Wer glauben Sie, sind Sie?«
Hinter Manzano war die Schwester aufgetaucht, mit sich einen Mittvierziger mit den typischen Arztutensilien in einem Mantel, der nicht mehr ganz weiß war. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, sein Gesicht hatte seit Tagen keinen Rasierer gesehen. Er diskutierte mit Hartlandt.
»Ein Notfall«, erläuterte Hartlandt, »der vor allen anderen hier Vorrang hat.«
»Und warum, bitte schön?«
Hartlandt streckte ihm einen Ausweis entgegen. »Weil er vielleicht mitverantwortlich ist für die Situation, in der wir hier alle stecken …«
Manzano glaubte sich zu verhören. Machte ihn der Wahnsinnige hier vor allen zum Sündenbock!
»Umso mehr ein Grund, ihn nicht zu behandeln!«, schnaubte der Arzt.
»Hippokrates hätte seine Freude an Ihnen«, bemerkte Hartlandt. »Vielleicht kann uns Ihr Patient hier helfen, das Problem auch wieder zu lösen. Aber dazu brauche ich ihn mit einem stabilen Kreislauf und ohne Blutvergiftung oder Infektion.«
Der Arzt brummelte etwas, dann sagte er zu Hartlandt: »Kommen Sie mit.«
Er durchquerte den Raum, Hartlandt schob Manzano in seinem Rollstuhl hinterher. Einige der Wartenden blickten ihnen neugierig nach, andere protestierten. Eine Frau versuchte, den Mediziner aufzuhalten, jammerte, flehte. Er sagte: »Sie sollten nicht hier sein. Wir haben nicht mehr genug Leute und Material. Das Krankenhaus wird heute geräumt. Bitte gehen Sie in eine andere Klinik.«
Ohne die Antwort der Frau anzuhören, setzte er seinen Weg fort. Er führte sie in einen kleinen Behandlungsraum und zeigte auf eine Liege.
»Wir haben kein Schutzpapier mehr, Sie müssen sich so darauf legen.«
Hartlandt hob Manzano an den Achseln aus dem Stuhl.
»Was ist denn das?«, fragte der Mediziner, als er die Handschellen sah. »Abnehmen. So kann ich ihn nicht behandeln.«
Hartlandt öffnete
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