BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Eberhart hielt den Blick unverwandt auf die Straße geheftet. »Und bald werde ich ein ordentliches Mittagessen zu mir nehmen. Wenn Sie auch eines wollen, hundertfünfzig.«
»So viel habe ich nicht mehr!«
»Wer kein Geld zum Handeln hat, sollte es nicht tun.«
Fuck! Drecksau!
»Okay! Hundert! Mehr geht nicht.«
Shannon spürte Tränen des Zorns hochsteigen.
Eberhart gab Carsten ein Zeichen. Der Wagen wurde langsamer, hielt schließlich an.
Eberhart wandte sich Shannon zu, streckte ihr die offene Hand entgegen.
»Zuerst das Essen«, verlangte Shannon.
Eberhart stieg aus, kam mit einem Paket zurück.
Zähneknirschend tauschte Shannon es gegen ihre hundert Euro.
Sie riss die Folie auf, fand einen in Plastik abgepackten Laib Brot, zwei Konservendosen mit Bohnen und Mais, eine Mineralwasserflasche, eine Tube Kondensmilch, eine Packung Mehl und eine mit Nudeln. Großartig! Sie hatte hundert Euro für Mehl und Nudeln gezahlt, die sie ohne Herd oder wenigstens Feuer nicht verarbeiten konnte. Hastig nestelte sie das Brot aus der Packung, brach ein Stück ab, reichte es Manzano, riss ein weiteres herunter und schlang es gierig hinunter. Neben ihr aß Manzano ähnlich ausgehungert, drückte sich etwas von der Kondensmilch aufs Brot.
Eberhart und Carsten lachten über irgendetwas.
Shannon kümmerte es nicht.
Ratingen
»Wir haben etwa dreißig Prozent der Codezeilen überprüft, die aus unserer Sicht infrage kommen«, berichtete Dienhof. »Bislang sieht alles korrekt aus.«
»Bleiben noch immer siebzig Prozent. Warum geht das so langsam?«, fragte Hartlandt nach.
Dienhof zuckte mit den Schultern. »Was erwarten Sie? Wir müssen jede einzelne Programmzeile kontrollieren und die dahintersteckende Logik der Programmierer nachvollziehen. Das ist schon unter normalen Bedingungen höchst aufwendig, erst recht unter den jetzigen.«
Hartlandt beendete den Termin, wechselte in den Nebenraum, das Lagezentrum seines Teams.
Seine Mitarbeiterin hing am Funktelefon. Als sie Hartlandt sah, beendete sie das Gespräch und legte auf. »Das war Berlin. Ich habe ihnen etwas geschickt, dass sie auch an Europol und die anderen weitergeben sollen. Schau her.«
Auf ihrem Computer öffnete sie eine Bilddatei.
»Das sind rekonstruierte Daten von den alten Festplatten und Computern, die wir bei Dragenau gefunden haben. Der Gute war nicht sonderlich sorgfältig, oder es war ihm egal, ob man etwas findet.«
Ein Gruppenbild versammelte mindestens sechzig Menschen aller Nationalitäten vor einer Stadtkulisse, die Hartlandt nicht identifizierte. Die Gesichter waren nur schwer zu erkennen.
»Schanghai 2005« erklärte der Bildtitel in der Fensterleiste.
»2005 nahm Dragenau an einer Konferenz zur IT -Sicherheit in Schanghai teil. Ich habe bereits Talaefers Personalabteilung gebeten, mir alle Unterlagen dazu zu geben, falls es welche gibt und es keine Privatreise Dragenaus war. Das Foto muss irgendwann während dieser Konferenz entstanden sein. Hier steht Dragenau. Und hier drüben steht jemand, den wir vielleicht auch kennen.«
Sie vergrößerte das Bild, bis das Gesicht deutlich wurde. Ein gut aussehender, junger Mann mit bronzefarbenem Teint und schwarzem Haar lächelte in die Kamera.
»Besitzt eine verdammt Ähnlichkeit mit …« – sie rief eine zweite Bilddatei auf.
Hartlandt erkannte eines der Phantombilder, die von den mutmaßlichen Smart-Meter-Saboteuren in Italien erstellt wurden.
Sie stellte es neben das Gesicht auf Dragenaus Schanghai-Foto.
»Liegen fünf Jahre dazwischen. Die Haare sind jetzt kürzer. Aber sonst …«
»Berlin, Europol, Interpol und alle anderen werden gerade informiert. Mal sehen, wer das ist und ob man etwas über ihn weiß.«
»Und alle anderen« waren alle Geheim- und Nachrichtendienste der betroffenen Staaten, damit durften sie in der gegenwärtigen Lage rechnen.
Hinter Düren
»Na, satt?«, fragte Eberhart.
Shannon ärgerte sich zwar darüber, wie schamlos der Kerl ihre Notsituation ausgenutzt hatte. Aber noch brauchte sie die beiden als Fahrer, wenn sie weiterkommen wollten.
»Wo sind wir eigentlich genau?«, fragte sie ihn.
Eberhart zog einen zerfledderten Buchatlas aus dem Handschuhfach, blätterte, bis er die richtige Seite fand, dann zeigte er auf ein Straßengeflecht mit vielen kleinen Ortschaften. Am Rand der Karte entdeckte Shannon größere Städte. Düsseldorf, Köln, Aachen.
»Wie ist Ihre Route?«
»Wir fahren die Dörfer und Kleinstädte ab«, erklärte Eberhart, und seine
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