BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
heizen, einkaufen und zur Arbeit gehen können.«
»Voraussichtliches Ende des Ausfalls?«
»Schwer zu sagen. Bislang waren die Versorger optimistisch. Doch jetzt versuchen sie seit sechs Stunden vergeblich, die Netze wieder hochzufahren. Für die Medien: Die Versorger arbeiten mit Hochdruck an der Wiederherstellung der Versorgung.«
»Wie kann es in ganz Europa dazu kommen? Das ist doch nicht normal.«
»Kann es in modernen, miteinander verbundenen Stromnetzen leider schon. Deshalb widmet ja der Minister der Modernisierung der Stromnetze und des Stromsystems seit geraumer Zeit höchste Aufmerksamkeit, auch und gerade auf europäischer Ebene.«
»Hilfsdienste?«
»Sind im Dauereinsatz. Die Feuerwehr hat in den vergangenen Stunden Tausende Menschen aus Fahrstühlen und U-Bahnen befreit. Rotes Kreuz und andere kümmern sich um Kranke, Alte und Reisende, die auf den Straßen stecken geblieben sind.«
»Wieso das?«
»Ohne Strom kann man nicht tanken.«
»Ist nicht Ihr Ernst!«
»Leider.«
»Und das am ersten Tag, an dem in einigen Bundesländern die Winterferien beginnen.«
»Technisches Hilfswerk ist alarmiert und voll im Einsatz.«
»Militär?«
»Steht bereit, um die Hilfskräfte bei Bedarf zu unterstützen.«
»Was empfehlen wir den Menschen, die morgen immer noch keinen Strom haben?«
Mailand
»… in den betroffenen Gebieten bleiben Schulen und Behörden geschlossen.«
Bondoni beugte sich noch tiefer über Manzanos altes Kofferradio, aus dem die Stimme des Nachrichtensprechers schepperte. »Und woher weiß ich, welche Gebiete morgen noch betroffen sind?«
»Das merkst du dann schon«, erwiderte Manzano und gab ihm ein Zeichen, dass er zuhören wollte.
»… da es zu Behinderungen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen kann, bitten die Behörden, Fahrgemeinschaften zu bilden. Aber unnötige Wege mit dem Auto sollten vermieden werden.«
Er konnte nicht einmal notwendige Wege mit dem Auto zurücklegen und fragte sich, wie viel die Versicherung für die alte Mühle bezahlen würde.
»… Urlauber und Wochenendausflügler sollten bedenken, dass sie an Tankstellen in betroffenen Gebieten keinen Treibstoff erhalten. Bahnreisende müssen mit großen Verspätungen und zahlreichen Stornierungen rechnen. Der Flugverkehr ist bis auf Weiteres völlig eingestellt. Das betrifft natürlich auch Reisende im restlichen Europa.«
»Europa?«, krächzte Bondoni. »Kann ja nicht sein! Die übertreiben sicher wieder einmal maßlos!«
Manzano musste an Signore Carufios Cousine und deren Tochter im Fahrstuhl denken. Erst vor einer Stunde hatte die Feuerwehr sie endlich aus ihrer misslichen Lage befreit.
»Die Energieunternehmen arbeiten zurzeit mit Hochdruck an der Wiederherstellung der Versorgung.«
»Das hoffe ich doch«, brummte Bondoni und schenkte Wein nach. Die zweite Flasche. Von der ersten schon nachsichtig gestimmt hatte Manzano ihn den Serralungo öffnen lassen. So ließ sich ein Stromausfall gut aushalten. Eigentlich sollten sie dazu keine schaurigen Nachrichten hören. Manzano schaltete das Radio ab. Schweigend tranken sie ihren Wein. Sie hatten den ganzen Abend geredet. Über alles und nichts, Manzano hatte den Großteil schon wieder vergessen. Er spürte den Alkohol ein wenig hinter seiner Stirn, die Wunde pochte.
Manzano hatte das Gefühl, dass die Zeit langsamer wurde, seit der Strom ausgefallen war. Bewusst lauschte er der Stille. Wie auf dem Heimweg nahm er mit einem Mal wahr, was ihm sonst nicht auffiel. Was fehlte. Das leise Brummen des Kühlschranks. Das Gurgeln in einer Wasserleitung. Zu laut gestellte Fernseher oder Stereoanlagen von Nachbarn. Blieb nur Bondonis manchmal schwerer Atem, sein Schlucken, das Schaben seines Hemdes an seinem Pullover, als er das Glas auf den Tisch stellte.
»Zeit fürs Bett«, erklärte der Alte und erhob sich ächzend. Tatsächlich zeigte Manzanos Uhr über der Küchentür kurz nach eins. Manzano begleitete ihn hinaus. Sofort überfiel ihn ein eigenartiges Gefühl. Er schob es beiseite und wollte Bondoni schon zum Abschied auf die Schulter klopfen, als er begriff, was anders war. Durch die Tür zu seinem Arbeitszimmer, die offen stand, fiel ein schwacher Lichtschein.
»Warte kurz«, forderte er Bondoni auf und ging in das Arbeitszimmer, das zwei Fenster zur Straße besaß.
»Die Straßenbeleuchtung geht wieder!«
Bondoni stand bereits neben ihm. Manzano drückte den Lichtschalter. An, aus. An, aus. Im Arbeitszimmer blieb es dunkel.
»Seltsam. Warum
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