BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
der Mistkerl diese Nummer? Journalisten!«
Wie die anderen auch hatte sich Michelsen während der vergangenen Stunden im Lagezentrum des Innenministeriums eingerichtet. Hatten sie anfangs noch auf eine schnelle Entspannung der Lage gehofft, verkündeten die jüngsten Nachrichten nichts Gutes. Sie raffte ihre Unterlagen zusammen und eilte zu einem der Operatoren vor den großen Bildschirmen. Auf dem Monitor wieder einmal Helge Brockhorst aus dem Lagezentrum von Bund und Ländern in Bonn.
»… genauso im vierten Regelbereich. Ein paar Stadtwerke können zeitweise die Grundversorgung herstellen, brechen aber immer wieder ein. Einige Bundesländer überlegen die Ausrufung des Katastrophenfalls.«
Nichts Neues also. Seit Jahren wusste man, dass eine solche Situation eintreten konnte. Vorbereitet hatten sie sich immerhin teilweise. In Deutschland war die Krisenbewältigung Sache der Länder. Bei nationalen Bedrohungen übernahm der Bund deren Koordination. Deshalb fand alle zwei Jahre eine Übung mit dem kunstvollen Namen Länderübergreifende Krisenmanagementübung/Exercise, kurz LÜKEX , statt. Dabei wurde die Zusammenarbeit der Ressorts des Bundes mit den Krisenstäben der Länder, Hilfsdiensten und privater Betreiber kritischer Infrastrukturen geübt. Beim letzten Mal hatten sieben Bundesministerien teilgenommen, das Bundeskanzleramt, das Bundespresseamt, diverse Sicherheitsbehörden des Bundes, Behörden für Bevölkerungsschutz von Bund und mehreren Ländern, Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz sowie zahlreiche Wirtschaftsunternehmen aus den Bereichen Versorgung, Gesundheitswesen, Verkehr und Telekommunikation, die ihre Notfallpläne testeten. Michelsen betete, dass die damaligen Teilnehmer heute noch auf ihren Posten und gerüstet waren. Wie umfangreich und komplex allein die Übungen waren, zeigte schon deren Vorbereitungszeit, die zwei Jahre in Anspruch genommen hatte. Und der Ernstfall barg, wie sie aus Erfahrung in kleineren Maßstäben wusste, trotz allem Überraschungen. An die sie jetzt noch gar nicht denken wollte. Von jetzt auf gleich waren Notabläufe für alle Bereiche des Lebens zu organisieren. Das begann beim dringendsten Bevölkerungsschutz durch Hilfsdienste wie die Feuerwehr, Rotes Kreuz, das Technische Hilfswerk und andere, die Menschen aus stecken gebliebenen Fahrstühlen und U-Bahnen befreiten, setzte sich fort bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit durch die Polizei, der Information der Bevölkerung über die Lage und die Maßnahmen, die jede und jeder Einzelne ergreifen konnte. Die medizinische Versorgung musste sichergestellt werden, ebenso wie jene mit Wasser und Lebensmitteln. Michelsen wusste, dass wichtige Einheiten wie Krankenhäuser oder bestimmte Behörden mit Notstromgeneratoren ausgerüstet waren. Auch viele große Industrieanlagen und landwirtschaftliche Betriebe konnten sich ein paar Stunden oder Tage selbst versorgen. Schlechter sah es schon beim öffentlichen Verkehr, der Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser aus. Die Liste reichte bis in alle Bereiche des Alltags von achtzig Millionen Menschen in Deutschland. Und, wenn man den Berichten Glauben schenken durfte, was sie wohl musste, mehreren hundert Millionen in ganz Europa. Was die Lage verschärfte. Bei den regionalen Ausfällen und Katastrophen der vergangenen Jahre hatte man immer Hilfe von außerhalb anfordern können, aus anderen Bundesländern, zur Not aus dem Ausland. Doch »außerhalb« war jetzt sehr weit weg. Selbst aus Russland kamen Meldungen über Schwankungen im Netz, auch wenn es dort zu keinen Ausfällen gekommen war. Längst standen sie in Verbindung mit dem Monitoring and Information Centre der Europäischen Kommission in Brüssel. Das EUMIC übernahm europaweit, was das Lagezentrum des Innenministeriums für Deutschland leistete: Koordination, Organisation, Information.
Michelsen hastete zum Ausgang, vorbei am Besprechungsraum, in dem der Innenminister per Videokonferenz noch immer mit seinen europäischen Kollegen die Situation besprach. Auf dem Flur erwarteten sie sieben Kollegen aus verschiedensten Abteilungen, und gemeinsam strebten sie dem Presseraum zu, vornweg der Sprecher des Innenministers.
Zwischen ihm und seinem Tross flogen Fragen und Antworten hin und her.
»Kennt man schon die Ursache?«
»Nein. Keinerlei Anhaltspunkte. Für die Presse: Das Wichtigste im Moment ist die Wiederherstellung der Versorgung. Ursachenforschung wird man betreiben, sobald die Menschen wieder
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