BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
grün. Von Knoten zu Knoten wurden die Leitungen zugeschaltet, ersetzte eine grüne Linie nach der anderen eine rote. Gleichzeitig breiteten sich die grünen Strahlen von einzelnen Kraftwerken aus und überzogen das ganze Land wie schnell wachsende Wurzeln.
Den Haag
»Die sind hier gut ausgerüstet«, erklärte Bollards Stimme, während seine Helmkamera die Bilder aus der Istanbuler Kommandozentrale übertrug. »Tatsächlich haben wir alle Verhafteten und die Toten auf unserer Liste. Einige von den Kontakten fehlen allerdings.«
Bollard las die Namen vor. Manzano und Shannon hörten ihm zu, wenn auch nicht ganz so aufmerksam wie Christopoulos und die übrigen Mitarbeiter in der Europol-Zentrale.
»Sagen sie denn etwas?«, fragte Christopoulos, betroffen darüber, dass sich zwei Landsleute unter der international besetzten Terroristengruppe befanden.
»Manche reden nur zu gern«, erwiderte Bollard. »Wenn auch wirres Zeug. Manches fanden wir ja schon in den diversen Veröffentlichungen. Es läuft darauf hinaus, dass sie eine neue Weltordnung aufstellen wollen, menschlicher, gerechter, fairer. Sie sind aber der Ansicht, dass diese nicht aus den bestehenden Verhältnissen geschaffen werden kann, sondern nur durch einen großen Knall. Anders würden die trägen, eingelullten, bequemen Menschen vor allem im Westen nicht zu aktivieren sein. Wir werden wohl noch eine ganze Weile brauchen, bis wir …«
»Seht hinaus!«, rief einer der Männer.
Marie Bollard starrte gedankenverloren in den winterlichen Garten, als der Kühlschrank plötzlich ein müdes Brummen von sich gab. Das Geräusch hielt an. Verwundert drehte sie sich um, dann näherte sie sich ungläubig dem Gerät, öffnete es. Drinnen leuchtete es. Hektisch drückte sie den Lichtschalter an der Wand daneben. Die Deckenlampe sprang an.
»Maman!«, hörte sie ihre Kinder aus dem Wohnzimmer rufen. » Maman! «
Sie lief hinüber. Die Stehlampen neben den Sofas strahlten. Georges betätigte die Fernbedienung des TV -Geräts. Auf dem Bildschirm erschien graues Rieseln, aus den Lautsprechern klang Rauschen. Bernadette spielte mit dem Lichtschalter für den Kronleuchter herum, knipste ihn ein und aus, ein und aus.
»Papa hat recht gehabt!«, rief Georges. »Der Strom ist wieder da!«
Hoffentlich bleibt das auch so, dachte Bollard. Im Haus gegenüber sah sie gleichfalls Lichter an- und ausgehen. Sie eilte zum Fenster, die Kinder folgten ihr, pressten ihre Gesichter gegen die Scheibe. So weit sie sehen konnten, flackerte es in den Häusern.
Bollard spürte, wie in ihrem Inneren ein großer, dunkler Stein zerbarst, sich in seine Bestandteile auflöste und verschwand, bis auf wenige Krümel des Zweifels, ob es wirklich vorbei war.
Aus den Häusern traten Menschen, sahen sich um, als sei eine Bedrohung, ein Feind verschwunden, obwohl doch im Gegenteil etwas zurückgekehrt war. Bollard erkannte Nachbarn, die sich um den Hals fielen. Mit jedem Arm umfasste sie eines ihrer Kinder, drückte sie fest an sich, spürte, wie die beiden sie an den Hüften umarmten.
»Kommt Papa jetzt auch nach Hause?«, fragte Bernadette, sah zu ihr hoch. Bollard drückte sie noch fester.
»Ja, das tut er. Sicher ruft er bald an.«
»Dann können wir endlich zu Oma und Opa nach Paris fahren«, sagte Georges.
»Ja, auch das werden wir tun.«
Manzano war mit den anderen zu den Fenstern gestürzt. Am Himmel hingen schwere Wolken und verdunkelten den Tag. Doch einige Fenster nahe liegender Häuser leuchteten auf. Niemand hörte mehr Bollard auf dem Bildschirm zu, nur Christopoulos rief ins Computermikro: »Der Strom ist zurück! Bei uns ist der Strom zurück!«
Immer mehr Fenster erstrahlten, in manchen ging das Licht wieder aus, blieb jedoch in anderen Fenstern desselben Hauses an, als ob die Menschen jeden Lichtschalter ausprobieren müssten, weil sie nicht glauben konnten, dass die Energie tatsächlich wieder floss. Für Minuten verwandelten sich die Straßen in willkürlich blinkende und flackernde Zeilen, die zunehmend heller wurden, doch Manzano konnte verstehen, dass die Menschen sich ihrer wiedergekehrten Welt erst versichern mussten.
Shannon war ebenfalls zum Fenster gestürzt und filmte das Ganze.
Reglos stand das Europol-Team da und verfolgte das Spektakel, bis Christopoulos Manzano umarmte und mit ihm singend durch den Raum zu tanzen begann. Auch andere Mitarbeiter drückten sich, schlugen sich auf die Schultern, jemand jubelte. Manzano beendete den Tanz lachend mit einem
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