BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
hatten, Eimer, Schüsseln, Töpfe, Trinkgläser, Becher, Plastikgefäße, Suppenteller. Die Regentropfen ließen die Wasserflächen darin tanzen. Hinter seinem Rücken spielten die Kinder. Seine Frau Marie saß auf dem Sofa und las. Kerzen spendeten Licht. Im offenen Kamin brannte ein Feuer. Der Raum war als einziger im Haus angenehm warm.
Bollard hatte die Idee gefallen, in einer Stadt zu arbeiten, die ihm wie ein Sinnbild Europas und seiner Verwaltung erschien. Prunkvolle Bürgerhäuser erzählten von Den Haags reicher Vergangenheit, und der Regierung und der Königin gefiel es in der beschaulichen Stadt besser als in Amsterdam. Die eine hatte hier ihren Sitz, die andere ihre Residenz. Mit seiner Frau und den beiden Kindern bewohnte er ein hübsches Häuschen aus dem neunzehnten Jahrhundert, fünfzehn Gehminuten vom Meer entfernt, mit steilen Treppen und viel Holz. Die Kinder besuchten die internationale Schule, seine Frau arbeitete als Übersetzerin.
Als er das Angebot vor einem Jahr bekommen hatte, war wenig Zeit zum Überlegen geblieben. Doch der Zeitpunkt war günstig gewesen. Bernadette stand vor dem Schuleintritt und Georges vor dem Wechsel aufs Gymnasium. Beides hatten sie zwar in Paris bereits mit Mühen gefunden, doch die internationalen Schulen in Den Haag hatten genug Plätze frei. Wenn man dafür bezahlte. Als französischer Beamter bei Europol konnte er sich beides leisten. Nach den Jahren im Ministerium hoffte Bollard zudem in dem internationalen Umfeld auf neue Herausforderungen. Und die weiteren Aussichten nach der Rückkehr von einem zweijährigen Auslandsaufenthalt waren sehr positiv. Vorausgesetzt, er pflegte in dieser Zeit seine Kontakte. Doch darin war er immer gut gewesen. Warum also nicht von Den Haag aus? Paris war gerade einmal fünfhundert Kilometer entfernt. Mit dem Flugzeug dauerte es eine Stunde bis dorthin. Wenn der Flug nicht abgesagt wurde. So wie gestern Abend.
Sie hatten sich nicht in die lange Schlange derjenigen gestellt, die Auskunft wollten oder brauchten. Zu ihrem Glück war Schiphol weder Zwischenstation gewesen, noch lag es Hunderte Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. Sie hatten sich ins Auto gesetzt und trafen eine Stunde später wieder in Den Haag ein. Es war eine eigenartige Fahrt gewesen. Die sonst beleuchtete Autobahn war dunkel, der Verkehr dicht.
Bollard ging in den Flur zur Gartentür und zog Gummistiefel sowie Regenjacke an. Im Garten füllte er sieben fast volle Gefäße in einen großen Eimer um und stellte sie wieder auf. Den Eimer brachte er in das Badezimmer im ersten Stock und leerte ihn in die viertelvolle Badewanne. Dann stellte er ihn wieder in den Garten und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
»Kannst du nicht doch irgendwo ein Notstromgerät für uns auftreiben?«, fragte Marie.
»Europol hat keine, wenigstens nicht für private Zwecke ihrer Mitarbeiter.«
Seine Frau seufzte. »Das ist einfach nicht normal. Der Strom müsste längst wieder da sein.«
»Sollte man glauben«, meinte Bollard.
»Du hast doch auch mit kritischen Infrastrukturen zu tun.«
»Erst wenn die Situation etwas mit Terrorismus zu tun hat. Und dafür gibt es keine Anhaltspunkte oder Hinweise.«
»Was kein Wunder ist«, erwiderte Marie. »Die Schwachköpfe in den einzelnen Staaten backen lieber ihre eigenen kleinen Brötchen, als das große Ganze zu sehen.«
Die kleine Spitze gegen ihn ärgerte ihn. Er war kein großer Freund Europas, der Job ausgerechnet bei einer europäischen Institution für ihn nur eine Stufe zu einer besseren Position in Frankreich. Marie zog ihn gern mit diesem Widerspruch auf. Trotzdem fühlte er sich zur Verteidigung der Institution gezwungen.
»Oder es gibt schlicht und ergreifend nichts zu berichten.«
»Dein Wort in Gottes Ohr.«
In diesem Moment läutete das Telefon. Er eilte in den Flur, wo es auf einem kleinen Tischchen stand, und hob ab. Der Anrufer stellte sich als ein Däne vom Journaldienst heraus, der einen britischen Kollegen verbinden wollte, der aus Österreich einen Anruf von einem Italiener erhalten hatte. Bollard verdaute noch die Informationen, als es in der Leitung bereits klickte.
Der Brite, ein gewisser Terry Bilback, arbeitete im Monitoring and Information Centre der EU in Brüssel und erzählte eine eigenartige Geschichte von Codes in italienischen Stromzählern. Bollard hörte aufmerksam zu, fragte nach. Als Antwort gab ihm der Brite einen Namen, ein paar Daten dazu und eine Telefonnummer. Dort würde er den Italiener
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