BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Stunden sollte der Spuk ein Ende haben.«
Wo in Filmen an dieser Stelle Applaus und Jubel aufbrandeten, blieb es in der Krisenzentrale sehr still. Die Kollegen flüsterten miteinander. Langsam sickerte die Bedeutung des Gesagten in ihr Bewusstsein. Das italienische Stromnetz war Opfer eines Angriffs geworden. Noch wussten sie nicht, von wem. Oder warum. Sie hatten keine erpresserischen Forderungen erhalten. Oder Drohungen.
»Das ist ein Desaster«, stöhnte Tedesci. »Meine Herren«, wandte er sich an die beiden Kriminalisten, die neben ihm standen. »Wir sollten den Ball in dieser Sache flach halten.«
Die beiden sahen ihn abwartend an.
»Auf keinen Fall darf die Öffentlichkeit davon erfahren«, fuhr er leise und hektisch fort. »Und eigentlich müssen wir die Sache auch nicht an Europol berichten. Sie haben es ja gehört: In zwei Stunden ist alles vorbei!«
Ingegnere Emilio Dani wiegte nachdenklich den Kopf. Dottore Ugo Livasco musterte den Vorstand mit versteinerter Miene.
»Meine Herren«, wiederholte der Vorstand mit ungeduldigem Blick, »wir haben von 2001 bis 2005 drei Milliarden Euro in dieses System investiert, dreißig Millionen Zähler in ganz Italien installiert! Ist Ihnen bewusst, was die Nachricht auslösen würde?«
Der Ingegnere nickte. Curazzo gewann den Eindruck, dass er damit nur sein Verstehen ausdrückte, nicht aber sein Verständnis für das Anliegen des Vorstands.
Dottore Livasco mischte sich ein: »Ich verstehe Ihre Sorge. Aber könnte es nicht sein, dass, wer immer diese Manipulationen vorgenommen hat, Ähnliches in anderen Ländern getan hat? Wir sind verpflichtet, die anderen zu warnen.«
»Ein vergleichbares System gibt es bislang sonst nur in Schweden. Sollen die doch melden, wenn sie etwas finden.«
»Ob die Nachricht der Öffentlichkeit mitgeteilt wird, entscheidet jemand anderes. Wir haben Ermittlungen zu unterstützen.«
»Aber diese Sesselfurzer in Brüssel …«
»Europol sitzt in Den Haag«, korrigierte Livasco.
»Egal! Die haben doch nichts Besseres zu tun, als alles hinauszuposaunen, um sich zu profilieren!« Tedesci redete sich in Rage. »Ich werde jetzt meinen Freund, den Ministerpräsidenten, anrufen. Der soll entscheiden, was zu tun ist. Das ist eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit!«
Livascos Miene verhärtete sich. Auf seinen Lippen erschien ein schmales Lächeln. »Ich fürchte, das liegt nicht in seiner Befugnis. Aber rufen Sie Ihren Freund gern an. Ich kontaktiere derweil Europol.«
»Sie unterstehen doch dem Innenminister?«, fragte Tedesci.
»Allerdings. Er wird natürlich ebenfalls informiert. Und wird dann sicher den Herrn Ministerpräsidenten unterrichten.«
»Ich glaube, Sie verstehen mich nicht«, zischte Tedesci. »Wollen Sie Ihre Karriere bei der Polizei fortsetzen?«
Livascos Lächeln kippte ins Sarkastische. Er fixierte den Vorstand. »Wessen Karriere hier weitergeht, wird sich noch zeigen.«
Curazzo beobachtete, wie ein Mitarbeiter Solarentis ihm etwas ins Ohr flüsterte. Solarenti kam zu ihnen. Technikvorstand Tedesci erwartete ihn mit starrer Miene.
»Ich habe noch eine gute Nachricht«, erklärte Solarenti mit einem Blick zu den Ermittlungsbeamten und deutete auf eine grüne Computergrafik des Stromnetzes.
»Die Codes müssen über Zähler ins System eingebracht worden sein. Von diesen Zählern haben sie sich nach und nach über das ganze Land verbreitet.«
Von drei Punkten aus breiteten sich rote Felder über das Netz aus, die sich miteinander verbanden, bis alle Linien umgefärbt waren.
»Aufgrund der Zeitstempel der Logs konnten wir diese Verbreitung nachvollziehen. Und die Ursprungszähler identifizieren.«
Die Rotfärbung entwickelte sich zurück, bis wieder nur noch die drei roten Punkte im ganzen Land übrig blieben.
»Soll das heißen«, fragte der Dottore von der Polizei, »dass wir den genauen Standort kennen, an denen die Angreifer die Signale eingeschleust haben?«
Solarenti nickte. »Jede einzelne Adresse. Es sind drei Stück.«
Tag 2 – Sonntag
Turin
»Wir sind da«, sagte Valerio Binardi. Vor ihm eine Wohnungstür mit Eichenfurnier. Daneben eine Klingel ohne Namensschild. Neben der Tür stand sein Kollege Tomaso Delli. Unter dem Helm war es Binardi trotz der Winterkälte warm. Im Kinnteil war das Mikrofon integriert, über das er seinen Leuten Befehle geben konnte.
Hinter sich wusste er sechs Männer des Nucleo Operativo Centrale di Sicurezza, kurz NOCS , der Anti-Terroreinheit der Polizia di Stato.
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