BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
organisieren. Rettungsdienste, Feuerwehr, Polizei und das Technische Hilfswerk verfügen teilweise noch über eigene funktionsfähige Kommunikationsnetze. Allerdings sind diese Ressourcen sehr begrenzt, eine flächendeckende Kommunikationsversorgung ist nicht möglich. Trotzdem müssen die Dienste neben ihren herkömmlichen Aufgaben nun auch die des Informationsdienstes übernehmen.«
Sie hatten dieses Thema schon öfter diskutiert, erinnerte sich Michelsen. Natürlich gab es Informationsmöglichkeiten für Notsituationen, aber sie waren entweder äußerst bescheiden wie das satellitengestützte Warnsystem SatWaS, mit dem der Bund direkt in Radio- und Fernsehsender Nachrichten einspielen konnte. Aber wo keine Fernseher und Radios liefen, nützte es nichts. Genauso war es mit Warnsystemen wie dem Deutschen Notfallvorsorgeinformationssystem de NIS und anderen, die über das Internet oder Mobiltelefone liefen.
»Gibt es irgendwelche Prognosen, ob und wann wir eine landesweite Stromversorgung wiederherstellen können?«, fragte der Bundeskanzler. »Viele Kraftwerke funktionieren ja.«
»Die Versorger und Netzbetreiber wagen dazu nichts mehr zu sagen«, antwortete Rhess. »Vor allem wissen wir noch nicht, welche Systeme betroffen sind. Es können einige Kraftwerke sein, Verteilernetze, wir wissen es einfach nicht. Und so lange kann man keine Voraussagen machen.«
»Was ist mit den Kernkraftwerken?«, fragte der Wirtschaftsminister.
»Wurden alle heruntergefahren«, erwiderte die Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
»Trotzdem müssen sie weiterhin gekühlt werden, wenn ich recht informiert bin. Funktionieren die Notsysteme? Sind das nicht in erster Linie Dieselgeneratoren? Wie lange halten deren Reserven?«
»Laut der Sicherheitsüberprüfung deutscher Kernkraftwerke unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima haben alle ausreichend Treibstoff für mindestens zweiundsiebzig Stunden …«
»Nur zweiundsiebzig!?«, rief jemand dazwischen.
»… die meisten für weit mehr. Laut desselben Berichts liegen nach Angaben der Betreiber …«
Angaben der Betreiber, wenn ich das schon höre, dachte Michelsen.
»… ich zitiere aus dem Bericht ›vertragliche Festlegungen oder mündliche Absprachen zu Lieferungen von Hilfs- und Betriebsstoffen‹: ›Zu Zeiten für die Anlieferung von Hilfs- und Betriebsstoffen wie auch zur Berücksichtigung von naturbedingten EVA -Schäden‹ – EVA bedeutet Einwirkungen von außen – › gibt es zumeist keine Ausführungen. Die Betreiber weisen zum Teil erhebliche Öl- und Kraftstoffvorräte auf dem Anlagengelände aus. Bei einigen Anlagen ist damit der Betrieb für mehrere Wochen möglich. Aussagen zum Schutz dieser Stoffe gegen naturbedingte EVA und zum gesicherten Transport gibt es nicht. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle Anlagen Zugriff auf mobile Notstromaggregate in ihrem Umfeld. In diesen Fällen liegen die Zeiten bis zur Verfügbarkeit der mobilen Notstromaggregate deutlich unter zweiundsiebzig Stunden.‹«
Das heißt, bis spätestens morgen Abend müssen einige von denen nachversorgt sein, dachte Michelsen. Und mit einem Szenario wie dem herrschenden hatte wahrscheinlich niemand gerechnet. Dass Diesel und mobile Notstromaggregate innerhalb von zweiundsiebzig Stunden beschafft werden konnten, musste nun gewährleistet werden, sonst …
»Wir sind im Kontakt mit den Betreibern«, fuhr der Minister fort, »und garantieren, dass ausreichend Diesel geliefert wird. Treibstoff wird generell ab sofort rationiert und bleibt den Behörden, Notdiensten und anderen dringenden Einsätzen vorbehalten. Allerdings melden die Internationale Atomenergie-Organisation in Wien und die französischen Behörden eine sehr ernste Lage aus dem Kraftwerk Saint-Laurent und leichtere Zwischenfälle aus anderen.«
»Wo liegt das?«
»In der Region Centre südlich von Paris.«
»Gefahren für unser Bundesgebiet?«
»Vorläufig nicht.«
Der Wirtschaftsminister nickte nachdenklich, gab sich aber mit der Antwort zufrieden.
Michelsen wollte die Rehe jetzt nicht scheu machen, indem sie die anderen Probleme in den einheimischen Atomkraftwerken zur Sprache brachte, die vorläufig nicht ganz so gravierend waren, mit der Zeit aber ebenso katastrophale Auswirkungen haben konnten wie versagende Notstrom- und Sicherheitssysteme. Immer weniger Personal gelangte überhaupt zu seinem Arbeitsplatz in den AKW s, die verbliebenen Leute schoben Sonderschichten und waren längst total
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