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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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hörte die Tastatur klappern und fragte mich, wie er mit seinen Riesenfingern mit den Tasten klarkam. »Wir hatten sie vor vier Monaten hier, aber jetzt nicht mehr. Sie wurde am sechzehnten September entlassen, um in ihrer heimischen Umgebung zu sterben.«
    Am sechzehnten September. Eine Woche vor Genevièves Tod.
    Ich sammelte die Manuskriptseiten auf meinem Schoß zusammen, weil ich sichergehen wollte, dass ich mich richtig erinnerte. Lloyds Worte starrten mir von der Seite entgegen. »Alles wieder von vorne. Diesmal die andere Brust. Das dritte Mal schon, entweder schafft sie es jetzt oder nicht.«
    »Sie war nicht wegen Brustkrebs bei euch, oder?«
    »Brustkrebs? Nein. Wegen …«
    »Leukämie«, sagte ich.
    Mir brummte der Schädel. Ich blätterte mein Manuskript durch. Ich wollte es nicht glauben, aber da stand es, schwarz auf weiß. Das Motiv. »Entschuldige die Unordnung. Janice war ein Einzelkind, ihre Eltern sind beide schon tot. Wir kriegen also nicht besonders viel Hilfe.« Janice hatte also keine Verwandten, die ihr Knochenmark hätten spenden können. Was bedeutete, dass es dem blinden Schicksal überlassen blieb, einzugreifen und ihren Tod zu verhindern. Und als das Schicksal nicht eingriff, hatte ihr Mann die Dinge in die Hand genommen.
    Lloyd hätte Kasey Broach ermorden und ihrer Leiche das Mark entnehmen können. Warum sollte er also das Risiko eingehen, Sevofluran zu benutzen?
    »Knochenmark kann nur von einem lebenden Spender entnommen werden, oder?«, erkundigte ich mich.
    Über das Geräusch der klappernden Tastatur tönte Big Brontell: »Genau.«
    Bitte, bitte, mach, dass er auch Geneviève ermordet hat. Mach, dass er sie ermordet und dann hinterher erfahren hat, dass die Nächste noch leben musste, damit er ihr erfolgreich Mark entnehmen konnte. Mach, dass er beide Morde begangen hat, so dass ich keine von beiden auf dem Gewissen habe.
    Zweifel nagten an mir. Warum hätte Geneviève eigentlich im Verzeichnis der Knochenmarkspender stehen sollen? Meines Wissens hatte sie keine kranken Verwandten, und sie war nicht unbedingt der übertrieben wohltätige Typ. Wenn Lloyd sie also umgebracht hatte, dann kam mein Hirntumor, der prompt im richtigen Moment auf den Plan trat, wie gerufen.
    »Wie hoch sind die Chancen für eine Übereinstimmung bei Knochenmark?«, fragte ich.
    »Eins zu zwanzigtausend. Plus minus. Natürlich beschränkt sich die Auswahl auf Leute, die bereit sind, ihr Knochenmark testen zu lassen.«
    »Gibt es in eurem Verzeichnis jemand, der für Janice in Frage gekommen wäre?«, fragte ich. »Leute, die in Los Angeles leben?«
    »Lass mich mal kurz nachsehen.« Das Telefon rutschte geräuschvoll über Brontells Wange, und ich hörte ihn schnaufen, während er tippte.
    Hektisch blätterte ich in meinem Manuskript herum und verglich meine Erinnerungen mit Schriftgröße 12 . »Doch keiner von uns war als Spender geeignet.« Mrs. Broach machte eine Handbewegung, die alle drei auf dem Sofa einschloss. »Außer Kasey. Sie war Tommys guter Engel. Immer und immer wieder ist sie ins Krankenhaus gegangen, diese Spritzen in die Hüfte, so dicke Nadeln, und kein einziges Wort der Klage, nicht ein einziges.« Ich stellte mir Kasey Broachs bläulich verfärbte Leiche vor, wie sie auf dem rissigen Asphalt unter der Autobahnauffahrt lag. An ihrer rechten Hüfte war eine üble Schürfwunde zu erkennen . Ich zerbrach mir den Kopf, ob Geneviève eine ähnliche Wunde an derselben Stelle gehabt hatte. Es wäre ein Leichtes, die Einstichlöcher der Nadel mittels einer Schürfwunde zu verbergen, so dass alle Spuren der Knochenmarkentnahme unter einer glänzenden Wunde verschwanden. Hatte ich das überprüft? Hatte irgendjemand das überprüft?
    Was hatte er bei unserem letzten Abschied gesagt? »Tut mir leid, Drew, aber Janice und ich müssen uns um uns selbst kümmern.«
    Tut mir leid. Allerdings.
    Er war kein Sadist, obwohl er das Bondage-Seil ins Spiel gebracht hatte, um uns auf eine falsche Fährte zu locken. Sevofluran, damit sie lebendig und fügsam waren. Benzodiazepin, damit sie relativ ruhig blieben für den Fall, dass sie aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachten – eine menschliche Regung bei einer unmenschlichen Tat. Er hätte nicht gewollt, dass seine Opfer litten, genauso wenig wie er wollte, dass ich litt. Er wollte einfach nur, dass seine Frau überlebte, koste es, was es wolle. Hatte er sich bei seinen Opfern auch entschuldigt, so wie bei mir? Hatte er geweint, als er ihnen die Maske aufs

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