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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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warum haben Sie
mich
gesucht? Suchen Sie Vergebung?«
    Ihr Ton ließ keinen Zweifel daran, wie ihre Einstellung dazu aussehen würde.
    »Nein.«
    »Warum geben Sie sich dann noch damit ab? Sie sind doch davongekommen.«
    »Das Urteil ist irrelevant.«
    »Ja«, sagte sie, »allerdings.
Nicht schuldig wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit
bedeutet nämlich keinesfalls, dass Sie es nicht
getan haben.
«
    »Aber Sie haben mich nicht überführen können. Vielleicht hätten Sie das tun sollen.«
    »Tja, ich bin sicher, jeder zweitklassige Krimiautor mit ein bisschen Selbstachtung weiß, dass niemand zweimal für dasselbe Verbrechen vor Gericht gestellt werden kann.«
    »Ich …« Es juckte mich in den Fingern, nach meinem Drink zu greifen, aber ich hielt die Hände still. »Ich habe mich an etwas erinnert. Von der Nacht, in der Geneviève gestorben ist. Ich habe es überprüft, und es stimmte.«
    »Lassen Sie mich raten – es entlastet Sie.«
    »Nein«, erwiderte ich. »Im Gegenteil. Ich habe mich daran erinnert, zu ihr gefahren zu sein. Ich war allein im Auto.«
    Sie legte sich die Fingerspitzen an den offenen Mund, um größte Überraschung zu heucheln.
    »Ich glaube, ich kann herausfinden, was in dieser Nacht passiert ist«, fuhr ich fort. »Ich will immer noch wissen, ob ich Geneviève dieses Messer wirklich in den Bauch gestoßen habe. Und Sie können mir dabei helfen, es herauszufinden.«
    Sie lachte. »Wissen Sie, warum ich Ihren Fall übernommen habe, Danner? Der Druck des Marktes. Wenn Sie ein Niemand wären, dann wären Sie irgendwie mit einem Falschparkerticket da rausgekommen, bevor es auch nur einen Prozess gegeben hätte. Aber da diese Stadt aus irgendeinem Grund beschlossen hatte, Sie als prominenten Angeklagten zu behandeln, mussten wir etwas für unsere Erfolgsquote in Prozessen mit prominenten Angeklagten tun. Denn – Sie haben es vielleicht schon gemerkt –, die ist alles andere als beeindruckend.«
    »Die Verurteilung ist also alles, was Sie interessiert? Gibt es denn nie einen Fall, in dem Sie wirklich die Wahrheit erfahren wollen?«
    »Die Wahrheit? Die
Wahrheit?
Wenn Sie Anwalt werden, dann lernen Sie eine Sache ganz schnell: Sie tun so, als würden Sie potentielle Zeugen befragen, aber in Wirklichkeit studieren Sie die Aussage mit Ihnen ein, und das wissen Sie auch. Wenn ein Zeuge Ihnen seine Version der Geschehnisse erzählt hat – bei der Sie ihm auch schon geholfen haben –, lassen Sie ihn diese Version immer und immer wieder erzählen. Und irgendwann
wird
diese Geschichte – die Geschichte, die Sie selbst geschaffen haben – einfach zur Wahrheit. Und wenn Sie nicht aufpassen oder wenn Sie gut genug aufpassen, dann werden in dieser Wahrheit Dinge auftauchen, die anfangs noch nicht darin waren. Und genau das wird Ihnen hier auch passieren, nur schlimmer. Sie wollen sich im Geiste die Geschichte von der Nacht des dreiundzwanzigsten September wahrscheinlich Tausende von Malen erzählen, aber die wurde sicher schon bearbeitet, bevor Sie überhaupt aufgewacht sind. Sie werden niemals zur Wahrheit vordringen.« Sie leerte ihr Glas. »Und wissen Sie auch, warum? Die Fakten sind das Rohmaterial, nicht das Endprodukt. Und wenn Sie nach der Wahrheit suchen, drehen Sie sich im Grunde immer nur weiter im Kreise. Sie täten besser daran, nach Absolution zu suchen.« Sie machte eine rasche abwehrende Geste mit der Hand. »Aber bitte nicht bei mir.«
    Ich warf einen Zwanzigdollarschein auf die Theke und glitt von meinem Barhocker. »Danke für Ihre Zeit.«
    Sie machte sich nicht einmal die Mühe, von ihrem Glas aufzublicken. »Ich schick Ihnen die Rechnung.«
    Als ich widerwillig nach Hause zurückkam, war es schon nach eins. Ich wünschte, ich hätte noch irgendetwas tun können, irgendwo anders hinfahren können. Sobald ich in meine dunkle Küche trat, ging mir auf, dass ich einfach nicht mit mir allein sein wollte. In meinen kalten Nächten im Gefängnis hatte ich mir allerlei vorgestellt, aber ich hatte nie in Erwägung gezogen, dass das Urteil
nicht schuldig,
gefällt nur aufgrund meiner vorübergehenden geistigen Unzurechnungsfähigkeit, mir das Gefühl geben würde, dass ich lieber sterben als so weiterleben wollte. Und es gab noch einiges mehr, womit ich jetzt leben musste. Trotz der Warnung meines Neurologen war ich das Risiko eingegangen – für mich, für die vierköpfige Familie im Minivan, für Geneviève. Mir wurde schlecht, wenn ich an den Preis für meinen Egoismus

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