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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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erinnerte ich mich daran, wie er mir vor Gericht kurz zugenickt hatte, bevor er dem Dummy das Filetiermesser in den Leib gejagt hatte. Er hatte sich schlecht gefühlt, aber es war schließlich sein Job. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich war Lloyd so manches Mal in seinem gerichtsmedizinischen Labor hinterhergetrabt, sogar ein-, zweimal zu einem Tatort. Er und ich waren ein paarmal essen gegangen, wenn er mit mir verschiedene Aspekte einer Krimihandlung durchging. Er hatte ein längliches Gesicht, welliges, blondes Haar und ein verrücktes Grinsen, das man aber nur selten zu sehen kriegte. Ein Bacardi-Cola-Trinker. Frühaufsteher. Wie es einem Kriminaltechniker gut zu Gesichte steht, war er ein wenig unterkühlt, obwohl ich eigentlich immer geglaubt hatte, dass zwischen uns die Chemie durchaus stimmte. Was jedoch am wichtigsten war: Er hatte Genevièves Hände und Füße auf Fingerabdrücke untersucht und die DNA analysiert. Auf seinem Handy sprang nur die Mailbox an, also versuchte ich es auf seiner privaten Festnetznummer. Seine Frau war krank, Krebs im Endstadium, wenn sie nicht sogar schon gestorben war.
    Anrufbeantworter. Wie altmodisch.
    Nach dem Piepton sagte ich: »Hallo, Lloyd. Hier ist Andrew Danner. Ich weiß, dass das wahrscheinlich ein bisschen seltsam wirkt, wenn ich dich jetzt anrufe, aber jetzt bin ich wohl wieder ein freier Mann, schätze ich. Ich hab überlegt, wie ich diese Nacht rekonstruieren könnte, in der … ich zu Geneviève gefahren bin. Wir haben natürlich nie über die Beweise reden können, aber ich würde gerne deine unzensierte Meinung hören. Ich glaube – ich hoffe – ich glaube, dass mich hier jemand in die Pfanne gehauen hat. Außer, wenn ich immer noch geistig unzurechnungsfähig bin, was ja auch der Fall sein könnte. Ich … Na ja, also, ich könnte einen guten Rat von dir gebrauchen. Bitte ruf mich zurück.«
    Ich legte auf und ging in der Küche im Kreis. Schließlich zog ich das Filetiermesser aus dem Holzblock und studierte es eingehend, als könnte es mir irgendetwas Neues erzählen. Dann wählte ich noch eine Nummer.
    Es klingelte dreimal, bevor die vertraute Stimme sich meldete. »Hallo?«
    »Ich würde mich gerne mit dir treffen«, sagte ich. »Nur ein paar Minuten, bevor du in die Arbeit gehst. Schaffst du das?«
    Die Pause war so lang, dass ich schon dachte, April hätte aufgelegt. Schließlich sagte sie: »Ein paar Minuten gehen schon in Ordnung.«
    Ich merkte, dass ich immer noch das Messer umklammert hielt, und steckte es zurück in den Block. Dann bedankte ich mich bei April und ging hinaus.
     
    Ich fuhr durch die Hügellandschaft von Encino. Die spießigen Fünfzigerjahrehäuschen hinter den ovalen Rasenflächen tauchten eins nach dem anderen im Scheinwerferlicht meines Autos auf, bevor sie wieder in der Düsternis der frühen Morgenstunden versanken. Als ich mit laufendem Motor gegenüber von Aprils Haus stand, rief ich sie noch einmal an. Abgesehen von dem gedämpften Lichtschein hinter ihren Schlafzimmervorhängen sah das Haus völlig verlassen aus.
    Als sie den Hörer abnahm, sagte ich: »Ich bin hier.«
    Die Lichter gingen an und verrieten, wo sie auf dem Weg zur Eingangstür entlangging. Schließlich bewegten sich die Vorhänge an ihrer Haustür. »Und warum klingelst du nicht einfach?«, erkundigte sie sich.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    »Okay. Tja, dann komm doch rein.«
    Als ich auf die Veranda trat und sie mir öffnen wollte, wurde die Tür von der Sicherheitskette blockiert. Sie lachte verlegen, nahm die Kette ab und winkte mich herein. Wir saßen auf eleganten weißen Sofas, die direkt einer Tamponwerbung entsprungen hätten sein können.
    Prüfend musterte sie die Narbe auf meiner Stirn. »Ausschläge von deinem Antiepileptikum?«
    »Mit den Medikamenten läuft alles bestens.« Ich rutschte auf den Kissen hin und her, ohne eine bequeme Sitzposition zu finden. »Ich wollte mich bei dir bedanken, dass du für mich vor Gericht aufgetreten bist. Ich glaube, dass es wichtig war, und selbst wenn nicht – danke.«
    »Bitte. Ich bin froh, dass du freigesprochen worden bist. Und es tut mir leid, was du alles durchmachen musstest.«
    Trotz ihres gelassenen Gesichtsausdrucks saß sie kerzengerade. Sie trug einen Leinenrock und ein Oberteil, dessen Träger im Nacken verknotet waren und das ihre vor Nervosität hartnäckig rot gefleckte Kehle umso deutlicher hervortreten ließ. Sie saß betreten am äußersten Rand der Sitzpolster, als

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