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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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wäre sie jeden Moment bereit zur Flucht. Ihre Augen irrten unbehaglich hin und her. Und hatte sie nicht allen Grund? Was sollte sie schon sagen?
    »Du fehlst mir«, erklärte ich.
    Sie senkte die Augen und blickte auf ihren Schoß, und ich fühlte mich auf einmal kalt und nackt und war mir der Kerbe in meinem Haaransatz überdeutlich bewusst. Hatte sie Angst, mit mir allein zu sein? Oder war das nur meine Projektion?
    Es war hart für sie gewesen. Die Presse hatte in ihrem Vorgarten kampiert, nachts waren die Hubschrauber gekreist. Die Polizei hatte ihr Haus auf den Kopf gestellt, die Abfalleimer auf dem Boden ausgeleert, war sogar mit einem Durchsuchungsbefehl in ihrem Büro aufgetaucht. Sie hatte fünf Tage abgewartet, bevor sie mich im Gefängnis besuchte, und damit war mir auch schon relativ klar gewesen, worauf es hinauslaufen würde. Sie hatte sich Sorgen um mich gemacht und versucht, sich zu rechtfertigen, aber das hatte alles nur schlimmer gemacht. Wir stünden gerade erst am Anfang, hatte sie erklärt, waren noch nicht einmal verlobt. Wenn man nichts weiter als eine dreimonatige Romanze im Rücken hat, war diese Situation einfach ein bisschen viel verlangt.
    Ich dachte an die bläulich grauen Morgenstunden, wenn ich mich umdrehte und sie neben mir sah, wie ich mich an sie schmiegte und wieder wegdämmerte. Wenn unser Lebensweg gerade und eben verläuft, vergessen wir leicht, wie sehr wir andere Menschen brauchen. Dass wir geradezu auf sie
angewiesen
sind. Ich hatte April nicht mehr berührt, seit der Mord passiert war. Im Gefängnis hatte ich sie durch kugelsicheres Glas gesehen, unter den wachsamen Augen eines bewaffneten Justizvollzugsbeamten, und jetzt trennte uns ein altmodischer weißer Teppich. Alles, woran ich denken konnte, war die Wärme ihres Körpers, wenn sie schlief, und dass ich nicht mehr davon ausgehen durfte, sie jemals wieder zu spüren. Natürlich hatte ich auch damals nicht sicher davon ausgehen können. Aber ich hatte es getan.
    Ihr Stress war geradezu mit Händen greifbar, und mich schmerzte die Erkenntnis, dass ich ihr das alles angetan hatte.
    »Tut mir leid, was du wegen mir alles mitmachen musstest«, sagte ich.
    Sie wickelte den Saum ihres Oberteils um den Finger und ließ ihn wieder los. »Hör zu, Drew, ich …« Ihre Stimme schwankte und sie verstummte.
    »Keine Sorge. Ich verstehe sehr gut, wenn du damit nichts mehr zu tun haben willst.«
    Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Dann bist du also bloß gekommen, um dich bei mir zu bedanken?«
    »Ja. Und …« Ich merkte, dass ich an meinen Händen herumfummelte und legte sie in den Schoß. »Kann ich dich um etwas bitten? Nur noch eine einzige Sache?«
    Sie konnte einen Anflug von Argwohn nicht verhehlen.
    »Kannst du die Nacht noch einmal mit mir durchgehen?«
    »Was … warum?«
    »Weil du die Einzige bist, die das kann. Seit ich wieder zu Hause bin, versuche ich, diese fehlenden Stunden zusammenzupuzzeln, aber alles, was ich habe, ist diese Schüssel Cornflakes und ein zerbrochener Untersetzer …«
    »Drew, wovon redest du eigentlich? Der Prozess ist vorbei. Du bist frei. Du solltest zu einem Psychologen gehen und versuchen, mit dieser ganzen Sache abzuschließen. Sieh zumindest zu, dass du ein bisschen Schlaf bekommst. Wenn du mir die Bemerkung erlaubst – als du noch im Gefängnis warst, sahst du besser aus.«
    »Ich hoffe, dass mir ein paar Antworten helfen, wieder schlafen zu können.«
    »Oder aber sie werfen nur neue Fragen auf.«
    »Stimmt«, nickte ich. »Aber diesmal wären es immerhin die
richtigen
Fragen.« Ich wartete ab, während sie die Wand über meinem Kopf anstarrte. »Bitte, April. Ich werde dich auch nie wieder belästigen.«
    Sie sog hörbar die Luft ein. Ich wartete auf einen Seufzer, aber es kam keiner.
    Stattdessen sagte sie: »Es ist alles so gewesen, wie ich es dir im Gefängnis erzählt habe. Du hast an dem Tag gearbeitet. Ich bin gegen sechs vorbeigekommen. Wir sind zum Abendessen ausgegangen. Ins Fabrocini’s.«
    »Haben wir irgendwelche Bekannten getroffen?«
    »Nein. Dann sind wir nach Hause gegangen. Wir haben miteinander geschlafen.«
    »Wo?«
    »Auf dem Sofa. Mit dem Ausblick.«
    »Hat irgendjemand angerufen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Und dann hattest du wieder einen Migräneanfall. Richtig übel. Hast dich hingelegt, Licht ausgemacht, die ganze Show. Ich hab mir nur eine Leselampe angelassen, damit ich bei dir bleiben konnte. Aber es war nicht anders als die anderen Male.

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