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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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dachte.
    So gut ich konnte schrubbte ich die Blutflecke aus dem Teppich und spülte das Filetiermesser ab. Dann ging ich nach oben und legte mich ins Bett. 2 Uhr 13 . Nur noch vier Stunden bis Tagesanbruch. Und was dann? Was für ein Leben würde ich führen?
    Ich musterte die Decke und horchte nach Geräuschen im Haus. Ich versuchte einzuschlafen, aber jedes Mal, wenn ich gerade wegglitt, wachte ich mit einem Ruck wieder auf, weil ich Angst vor dem hatte, was mir im Schlaf passieren könnte. Oder vielleicht Angst vor dem, was ich tun könnte.
    Kurz nach drei holte ich die Digitalkamera aus meinem Büro und das Stativ aus meiner Garage und stellte beides so in der Ecke meines Schlafzimmers auf, dass ich im Bett gefilmt wurde. Nachdem ich die Aufnahmetaste gedrückt hatte, schlüpfte ich wieder unter die Decke. Wenn ich in der Nacht zum Hulk werden sollte, wäre es zumindest dokumentiert. Oder wenn der Zehenschneider wieder einbrechen und sich an meinem anderen kleinen Zeh vergreifen sollte. Vielleicht sollte ich vorbeugend Galoschen anziehen. Vielleicht sollte ich mich auch irgendwo einweisen lassen. Vielleicht sollte ich Katherine Harriman um ein Date bitten.
    Ich starrte die Kameralinse an.
    Wo versteckt man sich, wenn man vor sich selbst Angst hat?

[home]
    6
    E rschlagen saß ich am nächsten Morgen in aller Frühe an meinem Küchentisch, aß alte Räuchermandeln und ging meinen Poststapel durch.
    Ich hatte keinen Schlaf gefunden und mich irgendwann einfach aus dem Bett geschlappt. Es war mir nicht gelungen, die Nacht zu verdrängen – die Traumerinnerungen oder den Nicht-Einbrecher. Die Implikationen beider Möglichkeiten gingen mir nach.
    In all der Post fiel mir ein Brief vom Krankenhaus ins Auge, und als ich ihn öffnete, fand ich eine Anästhesie-Rechnung über zwölftausend Dollar. Unten las ich die Belehrung, dass ich für meine Behandlung die Verlegung in ein Bezirkskrankenhaus hätte verlangen müssen, da ich ja nicht krankenversichert war. Gut, bei meinem nächsten psychotischen Anfall werde ich dafür Sorge tragen, dass der Notarztwagen den Umweg zum Wilshire and Crack Central macht. Oder – noch bessere Idee –, wenn ich meine nächste Krise hatte, würde ich gewisse Entscheidungen treffen,
bevor
ich mich in die Katastrophe manövrierte und anderer Leute Leben aufs Spiel setzte.
    Durch meine Fensterreihe an der Nordseite sah der Himmel aus, als wäre er nass und hätte blaue Flecken. Der Smog legte sich über die Dämmerung. Gus, mein fettes, arthritisches Eichhörnchen, hoppelte über die Veranda. Es war das reinste Wunder, dass die Kojoten ihn immer noch nicht gekriegt hatten. Er legte den Kopf schief und sah mich irgendwie fast mitleidig an, bevor er seine kleinen Pfoten zu einer Geste hob, die nach einem jüdischen Klageruf aussah.
    »Wir zwei, Kumpel«, sagte ich, »du und ich.«
    Ich blätterte weiter durch meine Post. Ein paar überraschend solide Honorarzahlungen von meiner Agentur. Drei Heiratsanträge, Fotos inklusive, einer von einer attraktiven Hausfrau aus Idaho. Kontoauszüge und Arztrechnungen und Postwurfsendungen von Baumschneidern.
    Meine Rückkehr in die Normalität des Lebens erschütterte mich durch ihre Banalität. Meine Realität – Krümel auf dem Küchentisch, Vorschläge für die Refinanzierung meiner Hypothek – war ganz anders, als ich mir vorgestellt hatte. Was
hatte
ich eigentlich erwartet? Dass ich mit einem scharlachroten M auf dem Rücken durch New England schleiche, entehrt und ausgestoßen, und mir mein Essen im Wald zusammensuche?
    Ich wollte mich ganz unromantisch betrinken, Flüssignebel, Alkoholbalsam, eine Ich-will-in-der-eigenen-Kotze-aufwachen-Sauftour. Das sublime Selbstmitleid der Selbstzerstörung war mir nur zu bekannt. Wenn man nichts mehr zu verlieren hat, hat man etwas zu gewinnen. Deswegen die Scheiß-doch-auf-alles-Attitüde. Deswegen der ehemalige Klassenkamerad, den alle als den größten Duckmäuser kannten, der dann aber zum zehnjährigen Klassentreffen mit neuem Selbstvertrauen und fünfzehn Piercings im Gesicht auftaucht. Deswegen die Heiratsanträge für Charlie Manson und mich. Da ich schwerlich in Betracht ziehen konnte, Mrs. Sue Ann Miller aus Coeur d’Alene zu ehelichen, musste ich mir überlegen, was ich nun anfangen konnte.
    Es gab eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen: Hinlegen und sterben. Oder eben nicht.
    Ich zog mein Handy aus der Tasche und wählte. Während ich wartete, dass Lloyd Wagner ans Telefon ging,

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