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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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Auf einem Notizblock im Handschuhfach notierte ich den Kilometerstand und nahm mir vor, das ab jetzt bei jeder Fahrt zu tun, so dass ich in Zukunft feststellen konnte, wann ich mit meinem verblödeten Hirn mal wieder auf Spritztour ging.
    Während ich auf dem Mulholland Drive auf einem Mondlichtsplitter dahinfuhr, fühlte ich mich, als würde ich gerade etwas Illegales tun. Wahrscheinlich tat ich das ja auch.
    Im Slalom fuhr ich hinunter bis nach Coldwater, wo ich für die scharfe Kurve hinter dem Straßenschild abbremste. Und da war ich wieder, wie ich in meinem Traum den steilen Abhang hochfuhr. Das Licht der Straßenlaterne, das durch die eigensinnigen Zweige eines Baumes fiel. Die zu schmale Straße, die noch in Zeiten angelegt worden war, als die Haushalte noch keine drei Autos hatten und ihre überschüssigen Jeeps am Bordstein parkten. Der Schweiß trat mir auf die Stirn, als wollte auch er ganz genau dem Drehbuch folgen. Vielleicht träumte ich jetzt ja auch gerade? Vielleicht hatte ich diese ganze Geschichte erfunden – und erfand sie gerade ein zweites Mal?
    Die Haarnadelkurve kam bald, meine Reifen gaben das vorgeschriebene Quietschen von sich, und dann ragte auch schon Genevièves Haus über mir auf. Von hier wirkte das Gebäude einschüchternd – es duckte sich behaglich an die Flanke des Berges, seine Pfähle stemmten sich missbilligend in die Erde, als wäre mein Auto eine Ratte und das Haus eine Deutsche Dogge, die die Situation abschätzt.
    Ich stieg aus und machte die Tür nicht hinter mir zu. Als ich das Rasenstück erreichte, sah ich den kaputten Sprinklerkopf und erstarrte.
    Ich will, dass das nicht wahr ist. Ich will, dass das nicht passiert ist.
    Vorher hatte ich nicht gewusst, dass dieser Sprinklerkopf kaputt war, erst jetzt, nach meinem Traum, in dem der Highlander auf den Gehsteig geholpert war. Was bedeutete, dass es kein Traum gewesen sein konnte.
    O Gott, o Gott, ich war allein in meinem Highlander. Ich bin diesen Weg alleine hochgegangen. Ich habe den Schlüssel alleine gefunden. Nur ich war hier, niemand anders, nur ich.
    Ich ging den Pfad hoch, wobei die Steinplatten lose unter meinen Füßen rutschten und sich kleine Erdstückchen aus den Ritzen lösten. Ich wusste, was ich jetzt finden würde, aber ich musste ganz sichergehen.
    Die Bohlen knarzten, als ich die Veranda betrat. Das Haus war still und leer, wie ich gehofft hatte. Was für eine Ausrede konnte ich wohl vorbringen, wenn Schwester Adeline plötzlich an der Tür auftauchen würde?
    Der Philodendron winkte mir aus seinem Terrakottatopf zu. Ich wischte mir die Handflächen an meiner Jeans ab und ging in die Hocke, bevor ich die Blätter beiseiteschob, um einen Blick darunter zu werfen.
    Eine gezackte Linie verlief über den Tonuntersetzer, sie reichte fast bis zum Rand und sah aus wie ein Blitz.
    Kein Traum.
    Ein Stück meiner verlorenen Vergangenheit.

[home]
    5
    W ährend ich benommen nach Hause fuhr, versuchte ich erst einmal, sämtliche Konsequenzen meiner Entdeckung durchzugehen. Wenn mein Traum recht hatte, wie der Sprinklerkopf und der Untersetzer wohl bewiesen, dann war ich allein zu Geneviève gefahren. Sah schon mal nicht gut für mich aus. Aber es blieben doch dieselben Fragen. Warum
war
ich in jener Nacht zu ihr gefahren? Hatte mein Gehirn erst in dem Moment seinen Aussetzer gehabt, als ich beobachtet hatte, wie jemand anders Geneviève tötete? Der ganze alte Frust köchelte direkt unter der Oberfläche. Warum hatte
niemand
 – die Polizei, die Staatsanwaltschaft, meine eigenen Anwälte – seine Aufmerksamkeit ernsthaft irgendetwas anderem gewidmet als der Frage nach meiner Zurechnungsfähigkeit? Waren wir nicht alle einfach mittendrin in diese Geschichte eingestiegen, ohne uns dafür zu interessieren, was davor noch alles geschehen sein konnte?
    Ich hatte sorgfältig die Aufzeichnungen durchgeblättert, die uns das Morddezernat übergeben hatte, aber in den Notizen und Polizeiberichten deutete nichts in irgendeine andere Richtung – nirgends eine Andeutung von den vielen losen Enden oder nicht weiterverfolgten Spuren, die normalerweise die ausgefransten Ränder jeder polizeilichen Untersuchung bilden. Diese Darstellung war einfach zu sauber, diese Ermittlung hatte von Anfang an beschlossen, wohin sie laufen würde. Ich selbst hatte sicher auch von Anfang an beschlossen, was ich denken wollte, obwohl meine Argumente die Vorteile genossen, sich auf weniger Beweise zu stützen und viel unglaubwürdiger zu

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