Blackout
Führerscheinstelle die zwei fehlenden Zentimeter dazugedichtet habe, aber Chic überragt mich noch um einiges. Und braucht im Auto etwas mehr Platz nach oben, um bequem aufrecht sitzen zu können.
Nachdem er bei den Dodgers erster Spieler am Schlagmal gewesen war, hatte er zwei Jahre im All-Star-Team mitgespielt, aber das war, bevor alles den Bach runterging. Danach eröffnete er eine Restaurant-Kette, die er
Chics Stics
taufte. Er vergaß den Apostroph bei Chic’s und ließ das K bei den Sticks weg, und die Sache kam ins Laufen. Ein kleines Marketinggenie.
Auf der Ladeklappe prangt der Schriftzug
Chic’s Stics,
hier mit einem Apostroph, den ich einmal mit Filzstift dazugemalt hatte, als Chic mit einem Platten beschäftigt war. Dass sein Auto immer noch ein Dodgers-Nummernschild hat, sagt mehr über diesen Mann aus, als ich jemals sagen könnte.
Sein Fahrstil – langsam und gleichmäßig – entspricht ganz seiner Persönlichkeit. Chic ist nicht selbstgefällig, aber er hat die relaxte Art eines trockenen Alkoholikers, der weiß, was seine Prioritäten im Leben sind. Ein Mann, der sein Leben am Limit geführt hat, um dann zu merken, dass es nicht funktioniert, der weiß, was wirklich wichtig ist und was nur Energieverschwendung. Wir hatten uns vor fünf Jahren getroffen, als ich in meinem Leben die Uhr ebenfalls wieder auf null gestellt hatte, und wir hatten uns sofort zueinander hingezogen gefühlt. Obwohl er seine Ehe mehr als einmal fast gegen die Wand gefahren hatte, sei es mit seinen Affären bei Auswärtsspielen, sei es durch die massiven Auf und Abs seines Lebens, war er immer noch mit seiner Jugendliebe aus der Highschool zusammen. Er war nicht überwältigend gut aussehend, außer wenn er lächelte. Und er hatte ein nettes, sanftes Lachen, von der Sorte, die die Mädchen ganz wild macht. Zumindest war das so gewesen, bevor alles den Bach runterging.
Er hatte Anfang der Neunziger gespielt, kurz bevor es losging, dass die Sportler das Geld nur so scheffelten. Obwohl er von seinem Talent überzeugt ist, würde er jedem sofort auf die Nase binden, dass er bei keinem einzigen All-Star-Spiel als erster Spieler geschlagen hat und dass er an einem Punkt zusammengebrochen ist, als er seine beste Zeit noch vor sich gehabt hätte. Aber ungeachtet dieser Schande führte er jetzt ein friedliches Leben mit seiner Familie in Mar Vista, einer Pendlerstadt zwischen Santa Monica und Venice. Sie war nah genug am Strand, um von der Erosion durch das Salz betroffen zu sein, aber zu weit weg für Meerblick. Wie die Immobilien in Westside ist Mar Vista in den letzten zehn Jahren rasch von einem Mittelklasse-Wohnort aufgestiegen zu einem Städtchen, in dem sich wohlhabendere Familien ansiedeln. Als seine Restaurants prächtig liefen, hätte Chic sein Heim leicht gegen ein Haus in Brentwood oder Palisades eintauschen können, aber stattdessen hatte er das Haus seines Nachbarn gekauft, es abgerissen und einen gigantischen Spielplatz für seine acht Kinder angelegt, Mini-Baseballfeld inklusive.
Angela empfing uns an der Tür, mit einem Baby auf der Hüfte. Ein weiteres sabberndes Kleinkind klammerte sich an ihr Bein, drei oder vier Kinder verschiedener Größe sausten hinter ihr um den Küchentisch und spielten Fangen. »Drew, Drew,
Drew,
Drew,
Drew, Drew, Drew.
« Sie streckte die Hand mit dem Kochlöffel, an dem noch die Baked Beans klebten, von ihrem Körper weg und bot mir eine herrlich glatte Wange zum Kuss. Ich kam der Aufforderung nur zu gerne nach. »Junge, Junge, wir haben hier für dich gebetet, bis der Boden unsere Knie schon nicht mehr
sehen
konnte.«
Ein paar der Bales-Kinder lösten sich aus dem Taifun und krachten gegen mein Knie, wobei sie laut meinen Namen riefen. Ich strich ihnen über den Kopf. »Du bist aber gewachsen, Ronnie.«
»Ich bin größer, weil ich Jamaal bin.«
»Wo ist Ronnie?«
»Hier drüben.«
»Ich dachte, du bist Keyshawn.«
»In diesem Haus gibt es keinen Keyshawn, Drew.«
Und so weiter.
Angela balancierte irgendwie drei Kinder und eine Platte voll Hähnchenschenkel – wenn das jetzt ein Roman wäre, würde ich das löschen und stattdessen etwas anderes auf diesen Teller legen, aber es waren eben Hähnchenschenkel – und schob uns durch die Tür auf die Veranda. Wir saßen an dem Campingtisch, der mitten auf dem ehemaligen Vorgarten des Nachbarhauses stand.
Wie so oft beobachtete ich Angela ehrfürchtig. Für mich war sie die Große Mutter, eine wunderschöne Frau mit
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