Blackout
Sie, hier läuft das anders. In diesem Spiel
gibt
es nämlich gar keinen guten Polizisten. Dieses Spiel heißt böser Polizist – böser Polizist. Delveckio und ich hassen nichts mehr als Frauenmörder. Wir haben einmal mit ansehen müssen, wie Sie sich wieder vom Haken gemogelt haben. Aber wir werden uns das bestimmt kein zweites Mal mit ansehen.«
Ich warf Delveckio einen Blick zu. Guter Schachzug von Kaden, ihn in sein Macho-Wir mit einzubeziehen. Mit seinem schmalen Körperbau und den wässrigen Augen war Delveckio keine sonderlich bedrohliche Gestalt. Kaden hingegen sah so aus, als wollte er mir jeden Moment seine Finger ins Gesicht krallen und meinen Kopf als Bowlingkugel missbrauchen.
Er fuhr fort. »Wir sind bereit, Sie ein bisschen zusammenzuschlagen. Wir sind bereit, Ihnen den einen oder anderen Finger zu brechen. Wir sind bereit, Ihnen die Rippen zu brechen. Und wir sind bereit auszusagen, dass wir das alles tun mussten, weil Sie so kampflustig und gewalttätig waren. Wir würden eigentlich lieber darauf verzichten, aber das werden wir nicht. Sie können das durchstehen, oder Sie können es auch umgehen, aber so oder so, Sie werden reden, und diesmal haben Sie keinen Gehirntumor, der Ihnen Ihren Mörderarsch rettet.«
Das Tatortfoto war vom Tisch geglitten und auf meinem Schoß gelandet. Auf den Kopf gestellt sah es noch grotesker aus. Blut und zerschnittenes Fleisch, man wusste kaum, wo oben und unten sein sollte.
In meinem Magen rührte sich die altbekannte Übelkeit, und meine Haut wurde feucht. Das schweißgefleckte Bettzeug im Krankenhaus. Die Stimmen, die von den Wänden meiner Zelle widerhallten. Der Schorf war abgefallen, nur um darunter wieder dieselben Horrorszenarien zu bieten. Wo war ich? Was hatte ich getan? Plötzlich merkte ich, wie meine Entschlossenheit in sich zusammenbrach. Diese finale Demoralisierung, die mit der lange erwarteten Niederlage Hand in Hand geht, wenn man schließlich die Waffen streckt und sich ins Unvermeidliche ergibt. Vielleicht
hatte
ich es ja getan. Ich konnte ja nicht gerade behaupten, dass ich mich an das letzte Mal erinnerte, als ich unter ähnlichen Umständen auf eine Leiche getroffen war. Die Beweise, Geneviève, meine geistigen Aussetzer – es war einfach alles zu viel.
Wo waren Sie letzte Nacht zwischen 22 Uhr 30 und 2 Uhr?
Allein zu Hause. Im tiefsten Schlummer. Ja, genau.
Bill Kaden, der alles andere als umgänglich aussah, kam auf den Tisch zu, und ich machte gerade den Mund auf, um zitternd was weiß ich zu gestehen, da kam es mir wie der Blitz aus heiterem Himmel. Ich richtete mich wieder auf und schlug mit den Fäusten auf das mit Kerben übersäte Holz.
»Mein Camcorder!«, schrie ich. »Ich habe mich beim Schlafen aufgenommen!«
[home]
10
S ie ließen mich eine Stunde und fünfundvierzig Minuten allein im Verhörzimmer. Zuerst blieb ich einfach nur vor dem Foto sitzen, das man wohlbedacht dagelassen hatte, damit es mir Gesellschaft leistete. Auf der Hinterseite stand
Kasey Broach, 22 . 01 .,
2 : 07 h.
Die Detectives hatten wenig Zeit verloren zwischen dem Besichtigen der Leiche und ihrem Besuch bei mir. Als ich das schreckliche Bild nicht mehr ertragen konnte, blieb mir nicht viel anderes zu tun, als mein Bild im Spiegel zu betrachten. Die Verzerrung ließ meine Haare über der Narbe noch strubbeliger aussehen, aber wer weiß, vielleicht sah es ja auch in Wirklichkeit so aus.
Mein Camcorder war digital und hatte einen Speicher von hundertzwanzig Stunden, was bedeutet, dass er mich ununterbrochen aufgenommen hatte, seit ich ihn aufgebaut hatte. Bilder von mir, wie ich döste, mich umzog, vor mich hin gurgelte. Ob nun eine gute oder eine schlechte, er würde auf jeden Fall eine Antwort liefern. Entweder würde man mich friedlich schlummernd sehen. Oder schlafwandelnd, wie ich zu einem Mord loszog.
Nach einer Weile schob ich Tisch und Stuhl wieder in die Zimmermitte. Während ich auf und ab ging, merkte ich, dass ich unbewusst immer wieder mit den Fingerkuppen über meine Narbe fuhr.
Nach Ablauf einer Stunde erklärte ich dem Spiegel, dass ich gleich in eine Ecke urinieren würde, wenn man mich nicht auf die Toilette ließ. Kurz darauf ging die Tür auf, und ein mürrischer Neuling führte mich den Flur entlang und brachte mich danach wieder zurück.
Schließlich kamen Kaden und Delveckio zurück. Sie brachten Stühle mit und sahen aus, als läge ihnen etwas Unverdauliches im Magen. Zumindest Kaden. Nach dem, was ich von Delveckio
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