Blackout
Soziales.«
Preston hatte Cal auf einer Party anlässlich der Veröffentlichung meines dritten Chainer-Krimis kennengelernt.
»Er ist nicht schwul.«
»Natürlich nicht. Schwulsein ist gleichbedeutend mit einem gewissen Level an politischem und persönlichem Bewusstsein. Das ihm völlig abgeht. Er hat nur gewisse Tendenzen.«
Preston glaubt, dass prinzipiell jeder diese Tendenzen hat. Verständlich bei jemand, der in der Medienbranche arbeitet und seine Zeit im Village und in West Hollywood verbringt. Wenn wir ausgingen, besuchten wir immer Restaurants in West Hollywood, und hinterher schleifte er mich in eines dieser jungen West-Hollywood-Theaterstücke von einem gerade angesagten West-Hollywood-Theaterautor. In diesen Stücken ging es immer um einen Protagonisten in arger Bedrängnis, einen Schwulen mit einem Universitätsabschluss in Englischer Literatur, und die restlichen Personen – vor allem die Football-Spieler – waren zum Schluss auch schwul und hegten geheime, verschämte Gefühle für unseren zerbrechlichen und doch so unerschrockenen Helden.
»Was für Gefühle er auch haben mag, Mr. Brokeback, eins steht fest: Sie haben nicht deine Tendenz«, fuhr ich fort. »Ich verstehe, dass die Frage für dich schnell geklärt war, nachdem deine Eltern dich Preston Ashley Mills getauft hatten. Wenn wir Natur und Erziehung außer Acht lassen – dieser Kerl heißt Cal Unger. Ich würde sagen, damit sind die Chancen, dass er Blowjobs gibt, beträchtlich gesunken. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich eine bessere Gelegenheit abwarten muss, bis ich die diplomatischen Bande wieder anknüpfen kann. Ich werde stattdessen einfach Chic einladen.«
»Den
Ballspieler?
« Dem letzten Wort gab er eine Intonation, die er sich sonst eher für
Chlamydien
vorbehielt.
Preston hatte Chic ebenfalls auf der Party anlässlich der Veröffentlichung meines dritten Chainer-Krimis kennengelernt.
Trotz seiner Einwände steuerte er aufs Telefon zu. »Ich werd ihnen sagen, dass wir ein bisschen später kommen. Und sie bitten, dass sie einen Salzleckstein an unserem Tisch anbringen.« Er nahm das schnurlose Telefon in die Hand. Starrte es an.
»Die haben im Moment zu viel zu tun, um mir den exzellenten Service bieten zu können, mein Telefon wieder freizuschalten. Gewisse Verleger, die für meine Post verantwortlich waren, haben sich nämlich nicht die Mühe gemacht, meine Telefonrechnungen zu zahlen.«
Plötzlich zerriss ein junger Trompeter mit seinen Übungen die Morgenluft. Die Töne zogen über meinen Gartenzaun herüber.
I’ VE
GOT a crush on YOU , swee TIE
-
PIE .
Preston zog die Augenbrauen so entsetzt zusammen, dass sie sich fast in der Mitte berührten. »Was zum Teufel ist das denn?«
»Gershwin, glaub ich.«
All the DAY
AND night TIME , hear ME sigh.
Das war zu viel für Preston. »Wir rufen einfach vom Auto aus an.«
Die Frau im Jaguar vor uns musste der Welt mittels eines Wunschkennzeichens mitteilen, dass sie es in 2 , 7 Sekunden von 0 auf Luder brachte. Wir fuhren gemütlich den Cañon Drive entlang, vorbei an mehreren hunderttausend Dollar bayrischer Ingenieurskunst, vorbei an langbeinigen Frauen mit ausladenden Einkaufstüten und Palmen mit Lichterketten. Die Lichterketten erfüllten zwei Aufgaben: Zum einen waren sie nachts schön anzusehen, und zum anderen waren sie rutschig. Und das war wichtig für die Eichhörnchen, die beim Versuch, über die Baumstämme nach oben zu klettern, um in den Palmwedeln zu nisten, ausrutschten und sich ihre kleinen Eichhörnchenschädel auf dem Gehweg zerschmetterten. Diese Mischung aus Ästhetik und Brutalität sagt mehr über Beverly Hills als alles andere. Die 500 -Dollar-Kuriositäten aus Porzellan, die Boutiquen, in denen man nur nach Voranmeldung einkaufen kann, die juwelenbesetzten Katzenhalsbänder.
Während wir so dahinfuhren, zeigte Preston auf ein auffälliges Schaufenster bei Dutton’s, das mit meinen Romanen dekoriert war. Es war ja auch schon was wert, wenn zumindest ein Buchladen von meiner Schande profitieren konnte.
L.A. merkt in den meisten Fällen durchaus, was für ein Witz es ist. Natürlich ist es verdammt oberflächlich, aber das versteht es auch zu genießen. Nicht wie die Hausmütterchen aus Des Moines, die auf dem Weg zur Kirche die Klatschblätter lesen, damit sie missbilligend mit der Zunge schnalzen und den Kopf schütteln können, oder diese Bildungsschnösel, die niemals zugeben würden, dass ihnen eine Zeitschrift
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