Blacksoul - In den Armen des Piraten
das winzige Ohr.
Erst Stunden später, als es bereits dunkel war, näherte sich Grace erneut ihrem reglosen Mann.
Die zierliche Frau war praktisch veranlagt. Da sie schon im Kindesalter ihre Eltern verloren hatte, war sie immer auf sich allein gestellt. Hatte sich ihren Lebensunterhalt in Tavernen und Wirtshäusern und schließlich im Puff verdient. Aber eines hatte sie dabei nie vergessen – ihren Traum von einer glücklichen Zukunft. Mit dem jungen, verliebten Benji Billings hatte sie dieses Glück gefunden. Er holte sie von der Straße, gab ihr ein Dach über dem Kopf, und immer, wenn die Deathwhisper in Havanna ankerte, war er bei ihr. Als er bei seinem letzten Landgang ihre deutlich vorangeschrittene Schwangerschaft erkannte, desertierte er und wagte sich aus Angst vor Blacksouls Rache tagelang nicht aus dem Haus. Schließlich nahm er sie zur Frau, und die Geburt des Babys hatte ihr Glück gekrönt.
Als sie nun so auf ihren Mann hinabsah, kochte die Wut in ihr hoch:
„Wie lange willst du denn noch hier am Küchentisch deinen Rausch ausschlafen?“, fuhr sie ihn verärgert an und stupste ihm dabei an die Schulter, sodass Benji ein Grunzen von sich gab.
„Was denkst du dir eigentlich? Mitten am Tag hier sturzbetrunken aufzutauchen. Was sind denn das für Zustände?“
Mit vor der Brust verschränkten Armen und einem ungeduldig wippenden Fuß wartete sie auf seine Antwort. Ihr Gatte rülpste und versuchte, sich zu orientieren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es ihm, sich aufzusetzen und sich seiner wütenden Frau zu stellen.
„Oh, Grace, Darling – es ist nicht meine Schuld, sondern die von Blacksoul, ehrlich.“
„Und das soll ich dir glauben? Ich sehe es direkt vor mir, wie er sich auf dich stürzt und dir dann eine Rumflasche in den Mund steckt als fürchterliche Rache für deinen heimlichen Abgang“, zeterte sie. Die Ironie in ihrer Stimme war kaum zu überhören.
„Gracie, schrei doch nicht so, bitte. Ich erzähle dir, was passiert ist, wenn du nur so gut wärst, mir einen Krug Wasser zu bringen“, flehte er.
Benji sah so erbärmlich aus, dass seine Frau sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Und eigentlich wollte sie ja auch keinen Streit anfangen, sondern vielmehr interessierte sie, was los war. Daher füllte sie ihm einen Becher und reichte ihm auch noch eine Scheibe Brot über den Tisch.
„Hier bitte, deine Henkersmahlzeit, wenn du nicht gleich sagst, warum du voll bist wie eine Haubitze.“
Dankend leerte Benji den Becher in einem Zug und schob sich fast das ganze Brot auf einmal in den Mund. Das Rumoren in seinem Magen versuchte er niederzuringen, als er zu erzählen anfing:
„Du glaubst nicht, was passiert ist. Es war so: Ich war gerade mit der Arbeit fertig und wollte mit Carlos und Enrico ein Bier trinken, als plötzlich, wie aus dem Nichts, Blacksoul an unseren Tisch kam. Schneller, als du dir vorstellen kannst, suchten die zwei das Weite, als der Captain sie mit seinem finsteren Blick ansah.“
„Doch, das kann ich mir vorstellen. Die beiden sind feige Faulpelze.“
„Ja, ja. Jedenfalls saß ich nun allein mit ihm am Tisch und hätte mich fast bepisst vor Angst, als er mich so wütend angestarrt hat. Ich dachte, der bringt mich um. Hat was gesagt, wie wütend er auf mich ist, und ich würde mächtig in der Klemme stecken und so‘n Kram. Ich habe ihm nicht richtig zugehört, sondern mich nur auf seine Hand konzentriert, die unter seiner Weste nach einer Waffe griff.“
Grace hörte aufmerksam zu, und ihre Stirn war gerunzelt in Erwartung des Ausgangs der Geschichte.
„Los! Weiter – was ist dann passiert?“
Benji zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Er sagte so was wie: Ich wüsste ja, dass es nur eine Art gibt, aus seinem Dienst zu treten, und dass niemand seine Crew ohne seine Erlaubnis verlassen würde. In dem Moment ist mein Leben an mir vorbeigezogen. Das Schlimmste war, dass ich dachte, dich nie wiederzusehen“, murmelte Benji und griff nach der Hand seiner Liebsten.
Grace gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange, während ihre Finger weiterhin ungeduldig auf den Tisch trommelten.
„Dann sagte er, es täte ihm leid und zog seine Hand unter der Weste hervor. Ich dachte, jetzt erschießt er mich und kniff die Augen fest zu – aber nichts passierte.“
„Was meinst du damit?“
„Als ich nach einer ganzen Weile wieder wagte, ihn anzusehen, grinste er. Das war fast noch unheimlicher als sein böser Blick“, gestand
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