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Blade 02 - Nachtklinge

Blade 02 - Nachtklinge

Titel: Blade 02 - Nachtklinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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zu bringen. Es klang, als würden sich die beiden schon länger kennen.
    Die Tür zu Giuliettas Schlafzimmer war nicht verschlossen. Die obere Daunenmatratze ihres Bettes hatte man zur Aufbewahrung zusammengerollt. Suchend betastete er den Stoff, konnte jedoch weder dort noch in der Kleidertruhe finden, wonach er suchte. Ihre Kisten mit Gold hatte sie mitgenommen, die
Wolfsseele
trug Tycho bereits auf dem Rücken.
    Warum war er nur so felsenfest davon überzeugt, dass sie …
    Schließlich entdeckte er das Gesuchte im Alkoven, hinter einem Wandteppich: den Ring des Dogen, der zur Vermählung mit dem Meer genutzt wurde. Giulietta hatte ein Band vom Ausschnitt ihres Seidenhemds hindurchgeschlungen. Mit großen Augen beobachtete der Junge, wie Tycho sich den Ring an den Finger steckte und das Band um sein Handgelenk knüpfte.
    »Wir waren niemals hier, verstehst du?«
    »Ist das ein Geheimnis?«
    »Es ist Prinzessin Giuliettas Geheimnis.«
    Als er den Namen seiner Herrin hörte, nickte der kleine Junge eifrig.
    »Du kannst jetzt gehen. Versprich mir, dass du niemandem ein Sterbenswörtchen erzählst …«
     
    »Atilo hätte ihn umgebracht«, stellte Rosalie fest.
    »Ich bin aber nicht Atilo.«
    Ihre Lippen zucken, als sie sich zu dem Jungen umwandte, der im erleuchteten Eingang stehen geblieben war. Tycho ahnte, dass er sie an ihren kleinen Bruder erinnerte. Er hatte die Härten des Lebens nicht so früh kennengelernt, war glücklich und behütet aufgewachsen. Pietro hätte dieser Junge sein können.
    »Vielleicht lebt er in einem kleinen Haus außerhalb von Alta Mofacon und wird später Zimmermann«, bemerkte sie gedankenverloren.
    Statt einer Antwort rückte Tycho die
Wolfsseele
auf seinem Rücken zurecht und überprüfte die Schließen der Ledergurte. Dann vergewisserte er sich, dass der Hof leer war und schlüpfte in die Dunkelheit. Hinter ihm raschelte es leise, als Rosalie zu ihm aufschloss.
    Die untergehende Sonne zeichnete einen Blutstreifen an den Horizont.
    Bald war der Streifen verschwunden, und der wolkenbedeckte Himmel würde sich von Blau zu Schwarz verfärben. Tycho vermisste die Sonne. War das nicht sonderbar? Er vermisste das, was ihn tötete und zugleich die Erinnerung an glücklichere Tage heraufbeschwor.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Rosalie.
    »Ich hänge nur meinen Erinnerungen nach.«
    Glücklicherweise fragte sie nicht weiter.
    »Kannst du darin rennen?« Skeptisch musterte er ihr langes Kleid.
    »Rennen?«, erwiderte sie verwundert.
    »Mit dem Schiff sind wir zu langsam. Wir nehmen den Weg an der Küste entlang.« Außerdem verabscheuten sie beide das Wasser.
    »Tycho …«
    Er sah auf. Rosalie nannte ihn nur selten beim Namen.
    »Du bist vogelfrei. Wenn sie dich kriegen, bringen sie dich um.«
    »Vorausgesetzt, ich bringe sie nicht zuerst um.«
    »Das ist kein Witz.«
    »Ich meine es auch ernst.«
    Sie sah ihn nachdenklich an.
    Sie hatte sich verändert, stellte Tycho fest, war sauberer, besser angezogen, und ihr Haar war irgendwie anders.
    »Kannst du denn eine ganze Stadt vernichten?«, fragte sie.
    Für Giulietta? Er würde es auf jeden Fall versuchen.
    Tycho biss sich ins Handgelenk und bot ihr zu trinken an. Ihr eben noch weiches Gesicht verwandelte sich in eine gierige Fratze. Sie trank in schnellen Zügen, bis er ihr seinen Arm entzog.
    »Jetzt bin ich an der Reihe.«
    Er schmeckte sein eigenes Blut in ihrem. Die Nacht erhellte sich, der Hof zeichnete sich mit einem Mal deutlich ab. Hoch oben funkelten die Sterne.
    »Und nun?«
    »Machen wir uns auf den Weg nach Venedig.«
     
    Ackerland folgte auf bewaldete Hügel, dann Städte, Hopfenfelder, Obstgärten und schließlich die Küste. Sie liefen nach Südwesten, durch ein Fischerdorf, vorbei an Trockengestellen. Gebüsch wucherte auf den Äckern, hier und da gab es Reisfelder. Bald rannten sie durch hohes Sumpfgras, und unter ihren Füßen spritzte es vom feuchten Boden auf.
    Sie rannten außerhalb der Zeit und abseits jedes Orts. Tycho spürte, dass er hierhergehörte, an den Rand des Daseins, zwischen diese Welt und eine andere.
    Wasser glitzerte vor ihnen, und durch die Pfähle einer Fischerhütte schimmerte fernes Licht. Es roch nach Rauch, Salzwasser, eingelegten Makrelen und Barben.
    »Das ging schnell«, sagte Rosalie erstaunt.
    »Wir sind erst in Grado«, gab Tycho zurück. Bei seiner Ankunft in Venedig hatte er eine Landkarte studiert. »Das ist nicht mal die Hälfte der Strecke.«
    Rosalie grinste.
    Sie blieben nur

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