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Blade 02 - Nachtklinge

Blade 02 - Nachtklinge

Titel: Blade 02 - Nachtklinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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Transport ist«, erklärte Giulietta sachlich.
    Sie erzählte von Dr. Crows Schweigezauber, der es ihr unmöglich gemacht hatte, über diesen Vorfall zu reden. Vielleicht, dachte sie im Nachhinein, war das auch ganz gut so.
    Tycho erwartete offenbar, dass sie vor Wut schäumte.
    Doch sie berichtete mit ruhiger Stimme und brach nicht einmal in Tränen aus. Sie hatte sich ein Jahr lang verzweifelt danach gesehnt, sich jemandem anzuvertrauen, und empfand es als unendlich erleichternd, ihm ihr Herz auszuschütten. Vielleicht würde sie ihre Offenheit noch bedauern, und vielleicht würde er es irgendwann bedauern, zugehört zu haben. Heute Abend jedoch war ihr, als durchschnitte sie mit jedem Wort eines der giftigen Seile, mit denen man sie gefesselt hatte. Blieb nur noch eines, was sie sagen wollte. »Sag es einfach.«
    »Du musst unbedingt damit aufhören.«
    »Womit?«, fragte Tycho erstaunt.
    »Immer zu wissen, was ich gerade denke.«
    Obwohl es dunkel war, spürte sie sein Lächeln. »Du irrst dich«, sagte er. »Meistens habe ich nicht die geringste Ahnung, woran du denkst. Sag es mir.«
    Giulietta zögerte.
    »Hör zu … das hat nichts mit dem zu tun, was heute zwischen uns passiert ist. Du kannst dich einfach weigern, und ich werde es verstehen. Ich weiß, dass damals in der Schlacht vor Zypern Magie im Spiel war. Jeder weiß es. Graf Atilo ist als Letzter an Deck zurückgeblieben, und hinterher hatte er Angst vor dir.«
    »Wonach fragst du mich?«, wollte er wissen.
    »Tante Alexa behauptet, ich müsse Frederick oder Nikolaos heiraten. Einer hat eine Flotte, der andere ein Heer, und ich dachte:
Tycho hat immerhin die Mamelucken besiegt.«
    Sie spürte seine Anspannung und registrierte verzagt, dass er sich aufsetzte und ihr den Rücken zukehrte. Giulietta rutschte hinter ihn, schlang die Beine um seine Hüften und legte ihr Kinn auf seine Schulter. Seine Haut war kalt, die Muskeln hart wie Stein und seine Haltung so abweisend, dass sie ihre Worte schon bereute.
    »Tycho, verzeih mir …«
    »Warte …«, gab er barsch zurück.
    Aber sie wartete nicht, sondern streichelte seine Schultern, küsste sein Haar und umschlang ihn, bis sich sein Körper so warm anfühlte wie ihr eigener. Sie wusste, dass er insgeheim wünschte, sie würde ihn loslassen, aber sie hielt ihn unbeirrt in den Armen, bis er schließlich leise seufzte.
    »Ich soll dasselbe tun wie damals?«
    Sie nickte.
    »Für dich«, sagte er schließlich.
    »Für mich?«
    »Sogar das.«
     
    Da es weder Papier noch Tinte noch Stift in ihrem Zimmer gab, ließ Giulietta danach schicken. Sie stand neben Tycho, als er am Tisch Platz nahm und eine Nachricht für die Dogaressa schrieb, langsam und sorgfältig, damit seine Schrift deutlich zu lesen war, genau wie Desdaio es ihn gelehrt hatte.
    »Einverstanden?«, fragte er, als sie seine Schulter umfasste.
    »Ja«, gab sie zurück.
    Die Nachricht war kurz und unmissverständlich.
Wie viel ist Euch die Unabhängigkeit Venedigs wert? Genug, um alles aufs Spiel zu setzen?

55
    D ie Fensterläden und Vorhänge in Gräfin Eleanors Krankenzimmer hielten das Tageslicht ab. Rosalie war in Sicherheit. Die Ärzte blieben aus und Alexas neuer Alchemist hatte aufgegeben. Rosalie war mit ihrer Freundin allein.
    Sie hatte schon zu viele Todkranke gesehen, um sich Hoffnungen hinzugeben.
    Eleanor würde sterben, bevor der Abend hereinbrach, sie hatte höchstens noch zwei Stunden. Obwohl es bereits dämmerte, war Rosalie versucht, Tycho zu wecken und ihn zu bitten, ihre Freundin zu retten. Doch ihre schmerzhaften Erinnerungen hielten sie davon ab. Sie wusste noch genau, welche panische Angst sie erfasst hatte, als sie allein in einem Grab erwacht war, als ein Rest des Sonnenlichts sie berührt hatte. Als sie merkte, dass sie anders geworden war als alle anderen Menschen.
    Wäre Eleanor noch bei Bewusstsein gewesen, hätte Rosalie sie gefragt, ob sie es wollte. Allein fühlte sie sich dieser Entscheidung nicht gewachsen. Sie wäre mit Freuden für Eleanor gestorben. Sie wäre auch mit Freuden gemeinsam mit ihr in den Tod gegangen. Nun blieb ihr nichts übrig, als Eleanors Haar zu streicheln und ihr den Schweiß vom Gesicht zu tupfen. Der Puls der Kranken war wie der Schlag eines Schmetterlingsflügels, ihr Herz wie ein gehetztes Kaninchen.
    Nicht mehr lange und Rosalie würde wieder allein sein.
     
    Der Schrei, der in dem marmorgefliesten Korridor widerhallte und durch die Kolonnaden nach außen drang, war so durchdringend, dass

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