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Blade 02 - Nachtklinge

Blade 02 - Nachtklinge

Titel: Blade 02 - Nachtklinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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denen ein normaler Mensch längst gestorben wäre. Sein linker Arm war gebrochen; an seinem Handgelenk stand ein gesplitterter Knochen hervor. Durch ein Loch in seiner Bauchdecke konnte er seine eigenen Eingeweide sehen.
    Seine Kraft zur Heilung würde ihn retten, aber er bezweifelte, ob er den Schmerzen gewachsen war.
    »Ihr süßen Götter«, hauchte er, »helft mir.«
    Doch es herrschte Schweigen. Eine andere Antwort hatte es nie für ihn gegeben. Er blickte auf, in Andronikos’ triumphierendes Gesicht. Den nächsten Satz formte der Magier nur mit den Lippen.
Sie war deine Schwester.
    Haut schälte sich von Tychos Gesicht, während er gegen die Macht der Worte ankämpfte. Er fühlte sein Fleisch schrumpfen, bis nur noch sein Schädel übrig blieb. Er wäre mit Freuden gestorben, aber der Tod wich ihm aus. »Sie war nicht meine Schwester«, keuchte er zwischen zerfallenden Zähnen hindurch. »Ich war nicht wie sie. Sie war nicht wie ich. Ich war und bin ein
Gefallener

    Der Fluss der Zeit geriet ins Stocken und erstarrte.
    Tycho und Andronikos standen einander im zartesten Licht der einsetzenden Dämmerung gegenüber. Tycho sah das Entsetzen auf dem Gesicht des Magiers, als er sich vergebens aus den Schlingen einer unbekannten Magie zu befreien suchte.
    »Alexa?«, fragte Tycho in die Stille hinein.
    Verächtliches Schnauben.
    »Du bist in meine Stadt gekommen«, sagte der Geist des Ortes. »Jetzt komme ich zu dir.«
    Dann verschmolz der Mund Venedigs mit seinem in einem fauligen Todeskuss.
     
    Tychos Körper schmerzte, sein Mund schmeckte sauer. Er wusste nicht, was passiert war, aber er hatte schon immer den Verdacht gehabt, dass die Inselstadt Venedig lebendig war. Diese Stadt war zu rätselhaft, zu
anders
. Hier musste ein uralter Geist wirken. Obgleich diese Version von A’rial, die sich nun erhob, viel älter war, als er gedacht hatte.
    Älter als die Zeit selbst.
    Venedig wirkte sonderbar, weil es sonderbar war.
    Ein Irrgarten aus Tod und Triebhaftigkeit, Blut, Liebe und Hass. Von Wasser umschlossen, das alle Geister und Geschichten in sich aufnahm, bis die Straßen und Gassen, die Kanäle und Hafenbecken überquollen von den Erinnerungen früherer Bewohner. Die Worte, die A’rial ihm sagte, hallten in Tychos Kopf.
Ich war jung, als du es gewesen bist.
    »Meinst du mich?«, fragte er.
    Nicht dich, deine Art und ihre Ursprünge.
    Tycho fielen Leopolds Worte ein, gesprochen in der Nacht, als er den Kriegshund besiegt und ihm das Leben geschenkt hatte, weil Giulietta ihn darum bat; obwohl er sich dadurch zu Folter und einem Dasein als Galeerensklave verdammte.
Du solltest tot sein.
    »Ich bin am Leben«, hatte er damals erwidert.
    Und er hatte es heute Nacht gesagt. Unsichtbare Hände klatschten Applaus, vielleicht spöttisch, vielleicht in aufrichtiger Bewunderung. »Werde du selbst«, sagte die Stadt.
    »Das bin ich.«
    »Dann werde noch mehr zu dir selbst …«
     
    Als die Zeit wieder zu ihrem normalen Rhythmus zurückfand, sank A’rials verweste Schattengestalt durch Wasser, Schlamm, Pfähle und Kies an den Ort zurück, wo der Geist Venedigs zu ruhen pflegte. Tycho schaute verwundert zu, wie die Realität zurückkehrte, falls es so etwas überhaupt in dieser rätselhaftesten aller Städte gab.
    Er sah Andronikos blinzeln.
    Der Magier wandte sich zu Giulietta um, die am Boden kauerte, Leo in den Armen. Rosalie beugte sich schützend über sie. Der Blick des Magiers wanderte zu den verletzten Wolfsbrüdern hinter dem Baumstumpf.
    Andronikos fragte sich, was gerade geschehen war.
    Dabei befand sich das Einzige, was sich verändert hatte, direkt vor ihm.
    Er sah Tycho an und stellte überrascht fest, dass sein Gegner aufrecht stand. Zwischen ihnen herrschte nicht nur ein Krieg der Worte, sondern auch ein Krieg der Kräfte. Was du liebst, stärkt dich mehr, als deine schlimmste Angst dich zu schwächen vermag.
    Das wusste Tycho jetzt.
    Alexas Pistole hing über seiner Schulter, Frederick hielt immer noch die Wolfsseele umklammert, aber die einzige Waffe, die Tycho wirklich brauchte, waren Worte. Plötzlich wusste er, was er zu tun hatte. Er legte die Hand auf das zerfetzte Seidenband an seinem Handgelenk.
    Langsam sprach er das Wort,
sein
Wort.
    »Giulietta.«
    Der Magier grinste.
    Er spreizte die Hände, um zu zeigen, dass es ihm nichts anhaben konnte, und wollte gerade den Blick zum Himmel heben, damit er daraus neue Kraft schöpfen konnte, als sein Grinsen erlosch.
    Tycho spürte die Kraft des Wortes

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