Blade 02 - Nachtklinge
und in einem Fass Branntwein zurück.
Danach sagte Alonzo nichts mehr.
Am nächsten Tag würde er noch viel stiller werden. In einem sehr geheimen Gespräch würde Alexa ihrem Schwager mitteilen, was Giulietta ihr gesagt hatte. Dass Tycho ursprünglich mit dem Schiff nach Venedig geschickt worden war, um sie selbst und wahrscheinlich auch Marco und Giulietta aus dem Weg zu räumen. Seldschukische Jäger mochten ihn gefangen und Magier der Mamelucken mochten ihn auf die Aufgabe vorbereitet haben, aber den Plan ausgeheckt hatte kein anderer als Alonzo.
Er würde empört erwidern, dass sie keinerlei Beweise für diese Vorwürfe hätte. Woraufhin sie ihm einen Befehl des Dogen unter die Nase zu halten beabsichtigte, den Marco in einem seiner zunehmend häufigeren klaren Momente unterzeichnet hatte. Er ordnete Alonzos Festnahme und einen Prozess wegen Hochverrats an. Hoffentlich wusste ihr Schwager es gebührend zu schätzen, dass sie ihm stattdessen das Exil anbot. Nicht zuletzt deshalb, weil ein Prozess wegen Hochverrats erneut Fragen über die Explosion in San Lazzaro, den Vergiftungsversuch Marcos und den Mordversuch an Giulietta aufwerfen würde.
Und auf Giftmord stand die Todesstrafe.
Doch zuerst musste sie sich um Giulietta kümmern. Sie war eine Woche zuvor in den Morgenstunden aufgetaucht, stumm, verstört und mit Leo im Arm. Sie hatte sich geweigert, über die Vorfälle auf Giudecca zu sprechen.
Seither blieb sie in ihrem neuen Zimmer im Palazzo Ducale und hatte den Palast nur verlassen, um an der Beisetzung von Gräfin Eleanor teilzunehmen. Die meiste Zeit hatte sie die Eingangstür der Basilika beobachtet. Vermutlich wartete sie auf Tycho. Oder auf das zerlumpte Mädchen.
Keiner von beiden war aufgetaucht.
Giulietta glitt wie ein stummer Geist durch die Marmorkorridore des Palastes. Ihre zurückhaltende Höflichkeit gegenüber Wachen und Bediensteten war ebenso enervierend wie ihre frühere Arroganz. Sie aß so gut wie nichts und schien noch weniger zu schlafen.
Alexa hatte den kleinen Drachen auf die Suche nach Tycho geschickt, und auch ihr Flughund drehte unermüdlich seine Runden über der Stadt. Spione waren angewiesen, Informationen zu beschaffen; die in Aussicht gestellte Belohnung war hoch.
Prinz Frederick wusste etwas, in diesem Punkt war sich Alexa sicher. Er hatte sich persönlich für die Übergabe seiner gefallenen Männer bedankt. Ein ruhiger, eingeschüchterter Junge, sichtlich mitgenommen vom Tod seiner Freunde und dem, was sich sonst noch auf Giudecca abgespielt hatte. Er hatte um die Erlaubnis ersucht, sich von ihrer Nichte verabschieden zu dürfen, aber Giulietta hatte sich geweigert, ihn zu empfangen.
»Dogaressa …«
Ein Dienstmädchen war an der Tür aufgetaucht.
»Was gibt es?«
»Neuigkeiten von Herrn Tycho.«
Alexa setzte die Tasse ab und erhob sich. Sie vermochte nicht zu sagen, welche Neuigkeiten schlimmer wären. War der Junge tot oder noch am Leben? Noch in Venedig oder bereits in die Dienste eines neuen Herrn getreten? Obwohl sie es nicht gern zugab, hatte sie ihn in gewisser Weise ins Herz geschlossen.
Abgesehen davon war da noch Marco.
Ihr Sohn fragte immer wieder, unmissverständlich und klar, wo Tycho war, ob es ihm gutgehe, ob er glücklich sei. Mein trauriger Engel, nannte er ihn.
»Schick den Boten herein.«
Ein ärmlich gekleideter Fischer trat ein und riss entsetzt die Augen auf, als er vor der mongolischen Prinzessin stand. Nach dem ersten Gestammel fasste er sich. Die Familie seiner Frau wohnte auf Giudecca. Er zuckte hierbei die Achseln, als wolle er sagen, er liebe sie trotzdem. Da sie kurz vor der Niederkunft stehe, sei sie nach Hause zu ihrer Mutter zurückgekehrt.
Eines Abends in der vergangenen Woche hatte ihm ein grauhaariger junger Mann Geld geboten, wenn er ihn und ein verwahrlostes Mädchen mit dem Boot an die dalmatinische Küste brachte. Das junge Mädchen war dort geblieben, der junge Mann war mit ihm wieder zurückgekehrt.
Der Fischer hatte ja nicht gewusst …
»Wann bist du zurückgekommen?«
»Vor einer Stunde, Dogaressa.«
»Und wo ist der junge Mann jetzt?«
»Er hat mir gesagt, er wolle sich umkleiden und müsse dann unbedingt ein Mädchen sehen. Er hat mir für die Überfahrt gedankt und mich bezahlt.«
»Wie viel hat er dir gezahlt?«
Der Fischer zögerte. »Doppelt so viel wie vereinbart.«
»Waren seine Wünsche etwas seltsam? Hat er spezielle Anweisungen gegeben, wie du das Boot für die Überfahrt ausrüsten
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