Blade 02 - Nachtklinge
sofort die Wache rufen und deiner Tante Bescheid geben.«
»Hat Tante Alexa dich geschickt?«
Tycho schüttelte den Kopf.
»Bist du dir da auch ganz sicher?«
»Natürlich.« Immerhin hatte sie ihn nicht direkt hergeschickt, sondern ihm lediglich einen Vorschlag unterbreitet.
»Schwöre es.« Als er sich weigerte, stieß sie ihn zurück. »Mein ganzes Leben lang hat man mich bespitzelt. Überall wurde ich beobachtet, alles was ich tat, wurde niedergeschrieben.
Ich lasse mich nicht bespitzeln.«
»Giulietta, ich habe dir gerade das Leben gerettet.«
»Und du hast um ein Haar meine Cousine umgebracht.« Darauf entspann sich ein Streit, der immer unschöner wurde.
14
I n den verzweigten Kanälen hinter dem Dogenpalast schimmerte das Wasser in einem ungesunden Grün und roch wie Gerberbrühe. Der Regent schien weder den Gestank wahrzunehmen noch bemerkte er, dass Dr. Crow durch den Mund atmete.
»Der Dieb hat alles gestanden.«
Dr. Crows Miene blieb unbewegt. »Wunderbar, Durchlaucht. Was genau hat er gestanden?«
»Seine republikanische Gesinnung. Wir hatten absolut recht. Die Republikaner stecken hinter der Explosion auf San Lazzaro und der Vergiftung des Dogen. Diese Freveltat ist ein weiterer Versuch, meine Familie zu zerstören. Der Mann war ein Dummkopf. Er hat glatt behauptet, meine idiotische Nichte hätte ihm einen Prozess versprochen. Diesen Satz hatte er unaufhörlich wiederholt, bis zu seinem letzten Atemzug.«
Dr. Crow lächelte dünn.
Ihm kam eine groß angelegte Verschwörung, die von nur drei Personen ausging, ziemlich unwahrscheinlich vor. Aber das behielt er für sich. »Gibt es noch andere Helfershelfer?«
»Natürlich gibt es Sympathisanten«, erwiderte Alonzo. »Ich habe eine Liste von Namen.«
Dr. Crow fand es an der Zeit, das Thema zu wechseln. Der Regent hatte die peinliche Befragung allein durchgeführt, was durchaus als Warnung zu verstehen war. Es galt, die Laune des Prinzen mit guten Nachrichten zu heben.
Giulietta sei immer noch wütend auf Tycho und habe seinen Boten abweisen lassen, berichtete Dr. Crow.
»Warum soll das eine gute Nachricht sein?«
»Dadurch gewinnt Ihr Zeit, um ihn zu ködern.«
»Um Himmels willen. Warum sollte ausgerechnet
ich
ihn ködern wollen?«
»Er könnte Euch von großem Nutzen sein. Außerdem«, fügte Dr. Crow hinzu und spielte seine Trumpfkarte aus, »ist es besser, wenn er zu Euren Leuten gehört als zu denen Alexas.«
Dr. Crows ungewöhnliche Laster machten sein Leben sehr kompliziert. Er zog gern Frauenkleider an, mit Vorliebe seidene. Er öffnete Leichen, um das Innere des menschlichen Körpers zu erforschen. Nicht einmal Alonzo hätte ihn vor der Verfolgung der Kirche schützen können, wenn diese Vergehen entdeckt worden wären, und man hätte ihn früher oder später auf einem mächtigen Scheiterhaufen verbrannt.
Doch Dr. Crow hatte auch viele nützliche Talente.
Das war sein Glück.
Alchemisten führten meist ein unstetes Wanderleben und reisten von einem Hof zum nächsten, immer auf der Flucht vor den Schergen, die ihnen der letzte Herrscher hinterherschickte, den sie ausgenommen hatten wie eine Weihnachtsgans. Dr. Crow hatte Marco dem Gerechten klugerweise gleich zu Beginn erklärt, dass er Blei nicht in Gold verwandeln könne und bezweifle, dass überhaupt jemand dazu in der Lage sei.
Statt Gold bot er dem Dogen äußerst wirksame Zauberkünste an.
»War der Streit heftig?«, fragte der Regent
»Eure Nichte hat ihn angeschrien wie ein Fischerweib vom Rialto.«
Alonzo grinste.
»Daraufhin hat Tycho ihr erklärt, sie sei eine verwöhnte Göre und solle sich schämen. Dann ist Eure Nichte in Tränen ausgebrochen, was sie noch mehr geärgert hat. Er ist wortlos davonmarschiert.« Geistesabwesend nahm der Alchemist eine Honigmandel aus der kostbaren Schale. Alonzos gereizte Miene schien ihm zu entgehen.
Dr. Crow wog seine Worte ab und erklärte dann: »Tycho ist ein ungewöhnlicher Junge.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Es wäre wünschenswert, ihn für Eure Sache zu gewinnen.«
Der Kontakt zwischen dem Regenten und Dr. Crow war ebenso streng geregelt wie der Kontakt zwischen dem Regenten und den Assassinen. Alonzo und Alexa durften nicht gegeneinander vorgehen. Graf Atilo und Dr. Crow persönlich waren verpflichtet, jeden Verstoß gegen diese Regel sofort zu offenzulegen.
Jeder wusste, dass Atilos Sympathien bei Alexa lagen, während Dr. Crow ein Verbündeter des Prinzen war. Manchmal fragte sich Hightown Crow, ob er
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