Blade 02 - Nachtklinge
Vergangene Woche hatte er bis zur Besinnungslosigkeit getrunken und war völlig außer sich gewesen. Tagelang war er daraufhin mürrisch herumgelaufen und hatte höchst auffällige Geheimgespräche mit den Grafen Roderigo und Bribanzo geführt. Heute Morgen hatten Roderigo und der Regent gemeinsam den Palast verlassen, als wollten sie alle Welt wissen lassen, dass sie etwas vorhatten.
Alexa gefiel es nicht, dass ausgerechnet Roderigo ein Gewährsmann ihres Schwagers war. Die Zollbehörde besteuerte alle Waren, die ein- und ausgeführt wurden, und leitete das Geld an den Schatzmeister weiter. Hauptmann Roderigo, Leiter der Zollbehörde, brauchte seinen Männern lediglich die Anweisung erteilen, die Einnahmen direkt dem Regenten zu bringen, um Alexa das Leben schwerzumachen.
Sie musste unbedingt herausfinden, was vor sich ging.
Sie schloss die Fensterläden, schickte ihre Hofdamen weg und goss Regenwasser aus einem Silberkrug in die Jadeschale. Das makellose Gefäß verlangte nach dem besten Wasser. Mit geschlossenen Augen konzentrierte sie sich auf das, was sie erfahren wollte. Zu ihrer Überraschung zeigte sich wenig später Iacopo, Atilos Diener.
Sie hatte Roderigo erwartet.
Sie strich über die Wasseroberfläche und Iacopos Abbild erzitterte. Er saß an einem sauberen Tisch, vor sich ein leeres, kostbar aussehendes Weinglas. Es war also keine gewöhnliche Absteige. Vielleicht war dieser Junge die Ursache für Alonzos Zorn?
Iacopo war inzwischen längst kein Junge mehr.
Er trug einen Bart und Waffen und hatte für dieses Treffen seine beste Kleidung angelegt. Er tat Alexa beinahe leid, wie er da saß, mit den Füßen scharrte und vor sich hin murmelte. Es war bestimmt schrecklich, die Schachfigur im Spiel eines anderen zu sein.
Nur, wessen Schachfigur war er, und welches Spiel wurde gespielt?
Alexa lächelte, als sich Iacopo plötzlich gerade aufsetzte und der Mann eintrat, der ihn offenbar eingeladen hatte.
Gleich würde sie mehr wissen.
Es war sicher sehr schmeichelhaft für einen ehrgeizigen jungen Bediensteten wie Iacopo, dass Roderigo ein so elegantes Lokal als Treffpunkt ausgewählt hatte.
»Verzeih.« Roderigo ließ sich neben dem jungen Mann nieder. »Ich musste unbedingt noch was loswerden.« Er hob sein Glas und bemerkte Iacopos leeren Kelch. »Hast du dir nicht eingeschenkt?«
»Das kam mir unhöflich vor, Graf.«
Roderigo nickte zufrieden.
»… und ich wollte Euch gratulieren«, fuhr Iacopo fort.
»Wozu?«
»Zu Eurer Erhebung in den Adelsstand.«
Das ist ja beinahe eine Beleidigung, dachte Alexa.
Iacopo erbleichte vor Schreck. »Ich meinte Euren neuen Titel.«
»Schon gut«, erwiderte Roderigo, dessen Familie seit Generationen zum Adel der Stadt gehörte. Es war lediglich ein Gunstbeweis des Regenten, dass er sich seit Neuestem Baron nennen durfte. Genau wie das Gold, mit dem er das Dach seines Palazzos hatte reparieren lassen.
»Baron, Eure Einladung ist eine besondere Ehre für mich …«
»Aber du möchtest gern wissen, warum ich dich hergebeten habe, nicht wahr?«
Der junge Mann wurde rot und nickte. »Natürlich ist es mir vor allem ein großes Vergnügen, gemeinsam mit Euch zu trinken, noch dazu an einem so eleganten Ort …«
»Ein beträchtlicher Unterschied zu dem Bordell, wo wir das erste Mal zusammen getrunken haben.«
»O ja, Hauptmann, das kann man wohl sagen.«
Weit und breit war keine halbnackte Dirne zu sehen, stattdessen gab es ausgezeichneten Wein und gepflegte Tischgespräche. Sogar die Glückspieler hielten sich zurück. Niemand zückte ein Messer, nirgendwo eine lautstarke Streiterei. Trotzdem wirkte diese Taverne irgendwie seltsam.
Alle Bediensteten waren männlich, und das war ungewöhnlich für eine Stadt, in der üppige Brüste Kundschaft anlockten. »Wo sind wir hier?«
»In einem republikanischen Klub«, erwiderte Roderigo.
»Hauptmann …«, Iacopo riss die Augen auf.
»Beruhige dich, hier drin ist kein einziger Republikaner. Falls einige der älteren Gäste dazugehören, würden sie das bestimmt nicht zugeben. Der Klub wurde während der kurzen Zeit der zweiten Republik gegründet. Der Besitzer ist ein kluger Mann und hält sich aus der Politik heraus. Seine Geschäfte gehen blendend.«
»Die Zensur erlaubt das?«
Roderigo sah ihn belustigt an. »Immerhin geht der Regent hier ein und aus. Da kann die Zensur schlecht von Verrat sprechen. Los, trink deinen Wein aus. Er schmeckt ausgezeichnet.«
»Ja, wirklich sehr gut,
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