Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz
nicht die erste Wunde, die er bei der Vereinigung mit Mercer empfangen hatte, und es würde wahrscheinlich auch nicht die letzte sein. Manche Leute, insbesondere ältere, waren schon daran gestorben, vor allem später, auf dem Gipfel des Berges, wo die Qualen erst so richtig anfingen.
Ob ich diesen Teil wohl noch einmal durchstehe?, überlegte er, als er sich die Verletzung abtupfte. Es bestand immer die Gefahr eines Herzstillstandes. Da wäre es schon besser, in der Stadt zu leben, wo in jedem gröÃeren Gebäude ein Arzt mit einem Elektrofunkenapparat zur Verfügung stand. Ganz allein hier in dieser Gegend, das war zu riskant.
Aber er wusste, dass er das Risiko auf sich nehmen würde. So wie bisher. So wie die meisten Leute, selbst Alte, die gebrechlich waren.
Mit einem Papiertuch trocknete er den verletzten Arm.
Da hörte er weit weg den gedämpften Klang eines Fernsehers.
Da ist noch jemand im Haus!, dachte er erschrocken und konnte es kaum fassen. Mein Apparat ist es nicht, den habe ich ausgeschaltet, und ich spüre, wie der FuÃboden vibriert. Es kommt von unten, aus einem anderen Stockwerk!
Ich bin hier nicht mehr allein, stellte er fest. Ein anderer war hier eingezogen, hatte sich eine der leerstehenden Wohnungen angeeignet, und zwar so nahe, dass er ihn hören konnte. Muss im zweiten oder dritten Stock sein, sicher nicht tiefer. Moment mal, dachte er hastig, was tut man, wenn ein neuer Nachbar einzieht? Man geht vorbei und borgt sich etwas aus, nicht wahr? Er wusste es nicht, denn er hatte das noch nie zuvor erlebt, weder hier noch sonst wo: Die Leute zogen weg,
wanderten aus; aber eingezogen war bisher noch keiner. Man schenkt etwas, entschied er. Eine Tasse Wasser, oder besser noch Milch. Ja â Milch oder Mehl oder vielleicht ein Ei. Oder vielmehr die entsprechenden Ersatzprodukte.
Er sah in seinem Kühlschrank nach â der Kompressor hatte längst den Geist aufgegeben â und entdeckte einen fragwürdig aussehenden Würfel Margarine. Damit machte er sich aufgeregt und mit Herzklopfen auf den Weg nach unten. Ich muss ruhig bleiben, sagte er sich. Er soll nicht merken, dass ich ein Spatzenhirn bin. Wenn er das rauskriegt, spricht er nicht mit mir. Irgendwie war das immer so. Weshalb eigentlich? Er eilte den Flur hinunter.
3
Auf dem Weg zur Arbeit machte Rick Deckard wie weià Gott wie viele andere einen Abstecher in die StraÃe der Tierhandlungen und strich nachdenklich vor den Schaufenstern eines der gröÃten Fachgeschäfte von San Francisco herum. Etwa in der Mitte der langen Fensterfront hockte in einem geheizten Plastikkäfig ein Strauà und erwiderte starr seinen Blick. Nach Angabe einer Tafel am Käfig war der Vogel gerade erst aus dem Zoo von Cleveland eingetroffen. Es war der einzige Strauà an der ganzen Westküste.
Nachdem Rick das Tier betrachtet hatte, blieb er noch eine Weile mit grimmiger Miene vor dem Preisschild stehen. Dann fuhr er weiter zum Gerichtsgebäude in der Lombard Street, in dem auch die Polizeizentrale untergebracht war. Er erschien eine Viertelstunde zu spät bei der Arbeit.
Als er die Tür zu seinem Büro aufschloss, rief Polizeiinspektor Harry Bryant, sein Vorgesetzter, seinen Namen. Bryant war ein nachlässig gekleideter Mann mit Schlappohren, rotem Gesicht und klugen Augen, dem nie etwas Wesentliches entging.
»Wir treffen uns um 9.30 Uhr in Dave Holdens Büro!« Während er sprach, blätterte er kurz einen Stapel von Briefkopien durch. Beim Weggehen sagte er noch über die Schulter: »Holden liegt mit einer Laserwunde im Rückgrat im Mount-Zion-Hospital. Er muss noch mindestens einen Monat dortbleiben, bis einer von diesen neuen plastisch-organischen Rückenwirbeln eingewachsen ist.«
»Was ist denn passiert?«, fragte Rick schaudernd. Gestern war der Chef-Prämienjäger der Polizei noch wohlauf; nach der Arbeit war er wie gewöhnlich in seinem Schwebewagen nach Hause gefahren. Er wohnte im vornehmen Prominentenviertel der Stadt am Nob Hill, einem dicht besiedelten Stadtteil.
Bryant murmelte etwas wie »neun-dreiÃig in Holdens Büro« in seinen Bart und lieà Rick einfach stehen.
Als Rick dann sein Büro betrat, hörte er hinter sich die Stimme von Ann Marsten, seiner Sekretärin. »Mr. Deckard, haben Sie schon gehört, was Mr. Holden passiert ist? Er wurde angeschossen.« Sie folgte ihm in sein stickiges Büro und setzte das
Weitere Kostenlose Bücher